Bahnhöfe sind für uns Kathedralen des Reisens: In ungeheurer Pionierleistung gebaut oder als architektonische Meisterwerke, aus Stahl und Beton, aus Glas und Marmor – und immer für die Ewigkeit. Wir sind nämlich nicht nur Wohnmobil- sondern auch Eisenbahnfans.
Auch der Bahnhof in Tartu geht auf eine zaristische Gründung zurück. Das Holzgebäude mit den überdachten Bahnsteigen entstand im 19. Jahrhundert. Heute verkehren hier überwiegend Nahverkehrszüge in die Hauptstadt Tallinn und nach Valga an der estnisch-lettischen Grenze.
Narvas Bahnhof, ein graues Betongebäude in feinstem sowjetischen Stil, gibt sich zugeknöpft: Keine Zugverbindungen auf der Anzeigetafel, kein Fahrkartenverkauf, alle Türen verschlossen. Auch die Glastüren zum Gepäckband mit Scanner und die Türen zum Personenkontrollschalter hinter Panzerglas. Dies ist eine gut gesicherte EU-Außengrenze. Das gilt auch für die Bahnsteige, die weder von außen noch von innen zugänglich sind.
Der prächtige Bahnhof in Haapsalu wurde eigens für den Besuch des russischen Zaren 1907 errichtet. Damit der königliche Hofstaat bei einem Regenschauer nicht nass wurde, wurde ein 216 m langer Bahnsteig aus Holz angebaut - damals der längste Bahnsteig der Welt, und auch heute noch ICE-tauglich. Züge allerdings verkehren hier nicht mehr. Im Bahnhof ist das estnische Eisenbahnmuseum untergebracht, auf den Gleisen davor stehen einige schöne Lokomotiven.
Kaunas ist der litauische Verkehrsknotenpunkt der Baltikum-Bahnen; die Hauptstadt Vilnius liegt etwas abseits der Hauptbahnrouten. Wir besichtigen das große Bahnhofsgebäude und sehen auf der elektronischen Anzeigetafel: wenig Personenzugverkehr. Durch Kaunas fahren die Korridorzüge von Russland nach Kaliningrad, manche mit Halt zum Zu- und Aussteigen. Noch Zukunftsmusik ist der Aufbau der Hochgeschwindigkeitsverbindung von Warschau über Kaunas quer durchs Baltikum nach Helsinki.
Kurz vor der Grenze zu Weißrussland haben wir ein Schmuckstück gefunden – einen wunderschön renovierten Bahnhof, der einst für den Zaren Nikolaus II. gebaut wurde. Das Gebäude ist ganz aus Holz gefertigt und steht unter Denkmalschutz. Es beherbergt das Zaren-Restaurant mit feiner Küche und außergewöhnlichen Unterkunftsmöglichkeiten. Züge aus längst vergangener Zeit parken auch davor, mit roten Plüschmöbeln und blank geputztem Samowar. Der Zugverkehr wurde bereits vor vielen Jahren eingestellt; heute kann man Draisinen mieten und die Gleise mit Muskelkraft befahren.
Ein nüchterner Palast aus Glas und Stahl, mit weitläufigem Areal unter der Erde: Warszawa Centralna ist der wichtigste
Bahnhof in Warschau und laut Wikipedia einer der größten unterirdischen
Bahnhöfe Europas: Er ist über den Warschauer Zentraltunnel mit den benachbarten Bahnhöfen Warszawa Wschodnia (Warschau Ost) und Warszawa Zachodnia (Warschau West) verbunden. Im
Zentralbahnhof halten mehrere Fernverkehrslinien der Polnischen Staatsbahnen, darunter der gemeinsam mit der Deutschen Bahn betriebene Berlin-Warszawa-Express.
Ein schmuckes Gebäude, von 2010 bis 2012 komplett saniert und strahlend gelb gestrichen, mit grünen Rasenhügeln davor und den aus der ganzen Stadt bekannten kleinen Gnom-Figuren im Gras. Der Bahnhof Wrocław Główny (Breslau Hauptbahnhof) ist der größte Fernbahnhof der niederschlesischen Metropole Breslau (Wrocław). Er bildet ein Drehkreuz in alle Himmelsrichtungen: Hier treffen sich die Bahnlinien von Opole/ Oppeln aus Südosten, Świdnica/ Schweidnitz und Kłodzko/ Glatz aus Süden, Jelenia Góra/ Hirschberg und Legnica/ Liegnitz aus Westen, Poznań/ Posen aus nördlicher Richtung sowie aus Głogów/ Glogau im Nordwesten.
Heute ist der Bahnhof Görlitz ein Regionalknoten im Nahverkehr. Der Fernverkehr auf der einst bedeutenden Strecke Paris – Dresden – Breslau – Warschau wurde 2004 eingestellt.
Dank Schengen-Raum finden auf dem Grenzbahnhof zwischen Deutschland und Polen keine Passkontrollen mehr statt. Mehr Infos
Der frühere Stadtteil von Görlitz auf dem östlichen Neiße-Ufer entwickelte sich zur polnischen Stadt Zgorzelec. Heute ist sie Mitglied der Euroregion Neiße und bildet seit 1998 mit Görlitz eine gemeinsame Europastadt. Mehr Infos
Esslingen hat seinen Bahnhof von den Gleisen getrennt. Über das frühere Gleis 1 brandet jetzt der Autoverkehr. Zu den Gleisen geht‘s bequem durch die Unterführung. Nach der Renovierung des Empfangsgebäudes, dem Neubau eines Busbahnhofs mit großem Regendach und der Neugestaltung des Bahnhofsplatzes muss man nun nur hoffen, dass die Bäume schnell wachsen. Mehr Infos
In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart gab es einmal eine Kathedrale des Reisens. Sie wird gerade ausgebeint, platt gemacht und tiefer gelegt: Der Kopfbahnhof im denkmalgeschützten Bonatz-Bau wird zum unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut – bis 2019 oder 2021 oder doch erst Ende 2022? Bis dahin haben die Chefplaner und verantwortlichen Koordinatoren des Berliner Flughafens und der Elbphilharmonie vielleicht wieder freie Kapazitäten und können bei der Fertigstellung helfen. Infos der Bauherren und –damen, der S21-Kritiker, der Stuttgarter Zeitung und Wikipedia.
Die hessische Bankenmetropole Frankfurt hat einen Bahnhof mit Kopf. Mit rund 350.000 Reisenden täglich ist er heute nach Hamburg und München der drittgrößte Bahnhof im öffentlichen Personenverkehr in Deutschland. Für die Deutsche Bahn gilt er aufgrund seiner Lage in der Mitte Deutschlands als wichtigste Verkehrsdrehscheibe im Zugverkehr. Als Kopfbahnhof, genau wie der Münchner Hauptbahnhof. Mehr Infos
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