Polen

Los ging unsere Reise am Dienstag, 27. Mai 2014 - über Görlitz nach Polen. Hier haben wir Wroclaw/Breslau, Warszawa/Warschau und den Urwald bei Bialowieza besucht und sind dann nach Litauen weiter gereist.

 

Am 9. September waren wir wieder in Polen. Wir besuchten Elblag und Gdansk/Danzig, sind an der Ostseeküste entlang gefahren über Framborg und Leba nach Szczecin/Stettin - und wieder zurück nach Deutschland.

 

Zurück in der WiFi-freien Zone Deutschland

Seit 27. September 2014 sind wir wieder in Deutschland. Wir sind ohne Halt an den alten Grenzanlagen bei Kolbaskowo /PL und Nadrense /D eingereist. In Polen waren wir insgesamt 30 Tage und sind 1931 km gefahren. Zuhause sieht unsere Statistik so aus: Wie waren vom 27. Mai bis 30. September 2014 in Deutschland, Polen, Litauen, Lettland und Estland unterwegs. Wir haben uns in allen Ländern willkommen gefühlt und unsere Reise sehr genossen. Der Tacho unseres Womos verzeichnet jetzt 8647 km mehr.

Stettin entfaltet einen eher spröden Charme

Stettin war wie viele Städte in Polen im Krieg völlig zerstört. Anders als etwa Danzig wurde Stettin nicht nach Vorkriegsarchitektur wieder aufgebaut. Anders als etwa Elblag wurde die Stadt nicht neu gebaut unter Verwendung alter Elemente, wie etwa der schönen Giebelfronten. Die Stadtväter und -mütter von Stettin haben dem Wildwuchs den Vorzug gegeben. Es gibt ein paar architektonische Perlen, aber weit verstreut: Das Schloss der Pommerschen Herzöge und seine Nachbarschaft.

Allerdings erleichtert uns Stettin das Finden der sehenswerten Gebäude durch eine gestrichelte rote Linie, die die Highlights der Innenstadt miteinander verbindet. Das Alte Rathaus mit dem Stadtmuseum wurde im gotischen Stil wieder aufgebaut. Begeistert hat uns die Fassade, die weit neben dem Dach aufragt. Auch die Umgebung ist ganz nett, mit restaurierten Bürgerhäusern, die polnische und internationale Küche bieten.

Die Statue der Flora, der römischen Göttin des Frühlings und der Fruchtbarkeit, steht symbolisch für zwei berühmte Stettinerinnen: Hier wurde Sophie Frederike Augusta von Anhalt-Zerbst geboren, besser bekannt als russische Zarin Katharina die Große; sie war mit dem Zaren Peter III. verheiratet. Sophie Dorothee von Württemberg hat ebenfalls in Stettin das Licht der Welt erblickt. Sie heiratete den russischen Zaren Paul I. und trug als Zarin den Namen Maria Fjodorowna.

Es windet auf in Kolobrzeg /Kolberg

Von Nachsaison ist in Kolobrzeg /Kolberg nichts zu spüren. Die Stadt ist voller – vorwiegend deutscher – Gäste. Sie wandern am windigen Strand entlang, flanieren an den Bernstein-Boutiquen und Kleidergeschäften vorbei, fahren mit den Ausflugsschiffen eine halbe Stunde auf der Ostsee. Viele sind zur Kur hier, genießen die Anwendungen in den Spa- und Wellness-Hotels. Wir stehen auf dem Camping, wandern oder radeln durch die Gegend und genießen die Herbsttage.

 

Sonnige Zeiten auf der Wanderdüne

Do 18. - So 21.9.2014. Nach der Großstadt gönnen wir uns wieder ein paar Tage in der Natur. Leba an der Ostseeküste mit seinem Nationalpark und der Wanderdüne sind unser Ziel. Wir erklimmen die 33 m hohe Düne, schauen den Mutigen beim Schwimmen zu (das Wasser geht wohl noch, aber der Wind ist sehr kühl) und vergnügen uns beim Radeln und Fisch essen. Der ist hier besonders frisch, denn im Hafen liegt tatsächlich noch eine aktive Fangflotte, die Barsch, Dorsch, Heilbutt, Steinbutt, Quappe und Aal anlandet.

Solidarnosc steht für den Freiheitskampf

Im August 1980 begann durch Streiks der Danziger Werftarbeiter unter Führung von Lech Walesa und die Gründung von Solidarnosc die Zerlegung des kommunistischen Systems. Das historische Tor Nr. 2 steht am Eingang zur damaligen Leninwerft. Ein Stück weiter die BHP-Halle, die Werkstatt von Lech Walesa, in der heute unter dem Stichwort „21 x TAK“ die 21 Punkte dokumentiert sind, die die Werftarbeiter dem Regime abtrotzten und Solidarnosc als freie Gewerkschaft durchsetzten.

Das riesige Europäische Zentrum der Solidarnosc mit seiner rostigen Stahlfassade wurde erst am 31. August 2014 eröffnet. Wir hatten das Glück, die multimediale Ausstellung zur Geschichte des Freiheitskampfes anzuschauen. Neben dem Museum über zwei Etagen beherbergt das Gebäude einen Forschungs- und Bildungsbereich sowie ein Zentrum zur Förderung der Wissenschaft über die Solidarnosc und die antikommunistischen Bewegungen in Polen und Europa.

Bei den „Wegen zur Freiheit“ ist neben dem Fragment der Mauer der Danziger Werft auch ein Stück Berliner Mauer vertreten (links im Bild). Das macht Sinn, denn der Fall der Berliner Mauer war nicht, wie viele meinen, der Beginn der Veränderungen in Osteuropa. Er war lediglich die Konsequenz des Freiheitskampfes, der in Danzig seinen Lauf genommen hat – und am Ende den Mittel- und Osteuropäischen Völkern die Freiheit zurückbrachte.

Die pulsierende Stadt an der Weichselmündung

So 14. - Do 18.9.2014. Danzig begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Der Neptunbrunnen im Herzen der Altstadt ist das Wahrzeichen Danzigs. Die Legende sagt, dass die Danziger aus Freude über das Aufstellen des Neptunbrunnens Golddukaten in das Wasser geworfen haben. Der Meeresgott zeigte seine Barmherzigkeit und Macht, brachte das Wasser mit seinem Dreizack in Wallung und brach das Gold in kleine Goldflocken. Sie zieren noch heute den Danziger Kräuterlikör „Goldwasser“.

Ein paar Schritte weiter in der ul. Dluga /Langgasse überraschen uns sehr laute Musik und junge Leute in Kostümen auf der Straße: Das Ensemble des „Theaters im Fenster“ inszeniert ein neues Stück. Neben der Straßenbühne für den Sommer gibt es eine kleine Bühne im Gebäude – und die zwei großen Fenster, die diese beiden Bühnen miteinander verbinden. Das Theater ist ein Ort der Experimente und zugleich eine der Bühnen des Danziger Shakespeare-Theaters.

Das mächtige Krantor an der Mottlau zeugt ebenso von der Macht der Hansestadt Danzig wie die Bürger- und Handelshäuser daneben. Mit einem dicken Seil aus Hanf, einem System aus Blöcken und zwei hölzernen Drehkreuzen konnten Arbeiter bis zu vier Tonnen auf eine Höhe von bis zu elf Metern heben und selbst Masten auf Großseglern aufstellen. Der größte mittelalterliche Hafenkran Europas ist zugleich ein befestigtes Tor, das die Stadt schützte.

Wir fahren mit dem Linienschiff von der historischen Innenstadt zur Westerplatte. Mitten durch das lange gestreckte Hafengebiet: An den Kais liegen Schiffe zur Reparatur und Erneuerung, in der Werft wird ein neues Stahlungetüm zusammengeschweißt. Auf der anderen Seite ein paar rauchende Schlote, Kohlehalden, Sand- und Kieshaufen, eine Zementfabrik – es wird viel gebaut. Dank EU-Mitteln werden die Ufer schöner gestaltet, für ein besseres Leben mit dem Fluss.

Lebendige Geschichte auf der Danziger Westerplatte

Die Danziger Westerplatte steht für den Beginn des Zweiten Weltkriegs, für millionenfaches Morden, für halb Europa in Schutt und Asche, angezettelt von Nazi-Deutschland: Vor 75 Jahren, am 1. September 1939, hatte die „Schleswig Holstein“ die polnische Garnison auf der Westerplatte angegriffen. 182 Soldaten leisteten unerwartet eine Woche lang erbitterte Gegenwehr gegen die Schiffskanonen und die Splitterbomben der Kampfflugzeuge. Bis heute ist der Widerstand gegen die große Übermacht der Nazis Teil der nationalen polnischen Identität.

Ein Teil der Westerplatte gehört heute zum historischen Museum, mit Informationstafeln und „gelebter Historie“: Etwa wenn ein braun gekleideter Soldat des 20. Jahrhunderts einer Grundschulklasse die Vorkriegsgeschichte erklärt. Oder ein blau gewandeter Soldat des 19. Jahrhunderts den Kindern die Verteidigungsanlagen erläutert, die erst Napoleon eingenommen hat und später von den Russen zurückerobert wurden. Bei einer Gebäuderuine war ein „Lazarettarzt“ stationiert und demonstrierte die damals üblichen Behandlungs-Utensilien. Befremdet waren wir von den vielen Souvenirständen, die Gasmasken, Stahlhelme und Spielzeugwaffen verkauften.

Die Erde ist keine Scheibe und dreht sich um die Sonne

Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543) lebte viele Jahre in Frombork. Hier machte er seine weltbewegende Entdeckung: Nicht die Erde bildet den Mittelpunkt der Welt, sondern die Sonne; die Planeten drehen ihre Bahnen um sich selbst und um das Zentralgestirn. Dank Astronomen wie Kopernikus konnte Christopher Kolumbus gefahrlos gen Westen segeln, um einen neuen Weg nach Indien zu finden, ohne von der Erdkante ins Nichts zu stürzen.

Der Domberg von Frombork war im Mittelalter stark befestigt. Noch heute ist der gotische Dom von mächtigen Wehrmauern umgeben. Das Kopernikus-Museum in der Bischofsburg haben wir nicht angeschaut, denn die Führungen sind ausschließlich in polnischer Sprache – wir sind in der Nachsaison. Im Hafen haben wir nicht nur eine riesige Portion Eis genossen, sondern auch den Blick über das ruhige Frische Haff und auf die Weichselnehrung.

Für das jährliche Opernfestival im August waren wir leider zu spät dran. Aber für das Mittagskonzert in der Domkirche hat die Zeit gereicht. Die Barock-Orgel klingt sehr schön. Der Organist zeigt eine große Bandbreite an klassischen und modernen polnischen Orgelkompositionen. Und es gibt gleich zu Anfang was fürs Auge: Die kleinen Putten und Engel mit ihren Musikinstrumenten drehen sich und wackeln mit den Posaunen; dazu ertönt ein schnelles, helles Glockenspiel.

Warme und sonnige Herbsttage in Elblag

Do 11. – So 14.9. Auf diesem Campingplatz in Elblag /Elbing waren wir bereits vor zehn Jahren. Damals hat uns begeistert, dass neben dem Stellplatz nur ein schmaler Weg war und dann kam direkt der Elblag. Heute sehen wir den Fluss nur durch die Lücken des Hochwasserschutzes. Schön ist es dennoch, dem Ausflugsschiff und den Anglern in ihren Booten zuzusehen, Enten zu beobachten, die sonnigen Herbsttage beim Radeln zu genießen. Da wäscht sich die Wäsche fast von alleine.

Die schöne Innenstadt von Elblag ist nur fünf Minuten vom Camping entfernt. Wie viele polnische Städte war auch Elblag im Krieg total zerstört. Die Stadtväter und -mütter haben aber entschieden, nicht die alten Häuser wieder aufzubauen, sondern neue Häuserzeilen zu errichten – im Stil der Hanse, der Kaufmannshäuser mit ihren schönen, hohen Giebeln. Kein Einheitsbrei: Jedes Haus sieht anders aus, jedes Haus hat ein unverwechselbares Gesicht.

Bekannt ist Elblag für den gleichnamigen Kanal (Kanal Elblaski), wo die Schiffe nur mithilfe von Wasserkraft über mehrere schiefe Ebenen einen Höhenunterschied von 100 m überwinden. Leider wird derzeit an diesem sehenswerten technischen Denkmal gearbeitet. Deshalb radeln wir Richtung Frisches Haff, zerteilen Mückenschwärme, schrecken ein paar Vögel auf und sehen den Kühen beim Grasen zu.  Erholung pur.

Die Drehbrücke in Gizycko funktioniert noch in Handbetrieb

Wir sind wieder in Polen

Nach exakt drei Monaten in den baltischen Staaten sind wir am 9. September wieder nach Polen eingereist. Nachdem wir bereits vor zehn Jahren einen Sommerurlaub an der Masurischen Seenplatte verbracht haben, wollen wir jetzt nur noch die ruhige Nachsaison genießen. Wir radeln durch Gizycko, besichtigen Reszel und Lidzbark-Warminski. Wir finden, alle Deutschen sollten die Wolfsschanze bei Ketrzyn, Hitlers düsteres Hauptquartier, besuchen. Wir waren 2004 da.

Zwischen Burdajni und Pastek geraten wir in eine sehr lange und üble Baustelle. Eigentlich ist die Straße für Kraftfahrzeuge gesperrt, aber nachdem die Umleitungsstrecke eine Höhenbegrenzung auf 3,20 m hat, bleibt uns nichts übrig, als unser Glück zu versuchen. Das Glück hält auch lange an. Nur an einer engen Stelle mit tiefen LKW-Spurrillen, zwischen Alleenbaum und Bagger, setzen wir im lockeren Erdreich leicht auf. Beschädigt wurde nichts; da waren unsere Schutzengel wieder auf Zack.

<<< Hier geht's weiter von Litauen, oben.

>>> bitte weiterlesen in Litauen, Textende.

Ein Ende der Europäischen Union

An Pfingstsonntag gelangen wir wieder an einen Rand, an die Außengrenze der EU zwischen Polen und Weißrussland. Neue, große Gebäude auf beiden Seiten der Grenze, aber: kein Verkehr, kein Mensch auf der Straße, keine Zöllner, keine Grenzschützer - mehr als 30 Minuten lang war gar nix los; dann sind wir wieder zurück nach Bialowieza geradelt.

Natur pur und jede Menge Vögel

Wir tauchen ab in die Puzcza Bialowieza. Das größte Urwaldgebiet Mitteleuropas erstreckt sich über 1250 Quadratkilometer. 270 km³ sind auf polnischem Gebiet, der weitaus größere Teil des Belowescher Walds liegt in Weißrussland. Im streng geschützten polnischen Bereich wurden seit 1922 keine Forstarbeiten mehr ausgeführt. Ein Teil ist Primärwald, der nie von Menschen verändert wurde. Der Nationalpark ist als UNESCO-Weltnaturerbe eingetagen.

Den geschützten Teil lassen wir in Ruhe. Drumrum sind wir mit den Fahrrädern und zu Fuß unterwegs. Wir finden 400 Jahre alte Eichen, neben denen bereits im 16. Jahrhundert die Fürsten und ihre Gäste aus Spaß die Wildtiere geschossen haben, die ihnen die Treiber vor die Flinte lieferten.

Die kleinen Tarpan-Wildpferde, mächtige Wisente (die europäischen Bisons), Luchse und Wildkatzen, Rotwild, Elche und Wildschweine leben frei im Bialowieza Nationalpark. Wir haben uns nicht lange auf die Lauer gelegt und sind gleich in den Tierpark gegangen.

Besonders putzig fanden wir die vielen Frischlinge. Und natürlich die Bisons, die aber wenig fotogen den Schatten vorzogen. Und im Wald überall Vogelgezwitscher. Man sieht sie nicht, aber man hört sie, beim Radeln auf den Sandpisten im Wald.

Juden in Tykocin

Mehr als die Hälfte der Menschen in Tykocin war jüdischen Glaubens, selbst noch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die meisten von ihnen wurden ermordet. Wir besuchen das jüdische Museum, ein Bürgerhaus mit einer kompletten Apothekeneinrichtung, inklusive „Ems Tabl.“, noch heute bekannt als Emser Pastillen. Eine Ausstellung zeigt Fotografien aus den 1920er- und 1930er-Jahren: glückliche Familien, Eheleute, ein kleiner Junge im weißen Festgewand, eine junge Frau, dem Leben zugewandt.

Die Synagoge gleich nebenan hat den Zweiten Weltkrieg überstanden; sie war die zweitgrößte in Polen. Heute ist sie eine Außenstelle des Museums von Bialystok. Im Inneren finden wir Gebetstühle an der Wand aufgereiht. An der gegenüberliegenden Wand stehen Vitrinen mit Leuchtern, Thorahüllen, fein ziselierte Silbergefäße für Balsam.

Wir gehen zur barocken Dreifaltigkeitskirche. Davor stehen Plakatwände, wie wir sie bereits aus Breslau und Warschau kennen. Diese hier erinnern an die Juden in Tykocin. Hunderte von Namen wurden dem Vergessen entrissen. Ob die Menschen auf den Fotos im Museum dabei waren, wissen wir nicht. Verstehen konnten wir aber die Jahreszahlen und die aus der deutschen Geschichte bestens bekannten Lager der Verschleppung und Ermordung: Bergen-Belsen, Dachau, Mauthausen, Ravensbrück, Sachsenhausen, und natürlich das größte Vernichtungslager Ausschwitz. Am schlimmsten waren die Faksimile der Briefe in deutscher Sprache an die Verwandten.

Von der Trümmerstadt zur Boomtown

Warszawa/Warschau, das einzige UNESCO-Weltkulturerbe, das nicht original ist. Vom Königsschloss über den Altstadtmarkt/Rynek Starego Miasta mit Bürgerhäusern drumrum bis zum Präsidentenpalais und der größten Opernbühne der Welt: Die Stadt wurde von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg im wahrsten Sinne des Wortes in Schutt und Asche gelegt. Und von den Polen originalgetreu wieder aufgebaut.

Und dann die unzähligen Kirchen, alle zerbombt und gesprengt. Sie wurden in dem Stil und Zeitgeist, in dem sie geschaffen wurden, wieder aufgebaut und ausgeschmückt - mal nüchterne Backsteinoptik, mal überbordende barocke Pracht, überwiegend natürlich römisch-katholisch, eine russisch-orthodox. Und all-überall Jan Pavel II, der polnische Papst, der die nationale Identität befördert hat.

Der Präsidentenpalast ist ein besonderes Symbol der Freiheit: Vor genau  25 Jahren, einige Monate vor dem Fall der Mauer, wurden hier auf Druck der Solidarnosc-Bewegung die Versammlungen am Runden Tisch mit dem Jaruszelski-Regime geführt. Sie mündeten in freie Wahlen und ebneten den Weg für eine neue Regierung in Polen.

Seit 1994 residierten im Präsidentenpalais  die Staatspräsidenten – von Lech Walesa bis heute Bronislaw Komorowski. Am 4. Juni redete Barak Obama hier mit den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen, am 5. Juni sprach der US-Präsident vor dem Königsschloss zur Bevölkerung.

Praga, das ehemalige Arme-Leute-Quartier am Ostufer der Weichsel entwickelt sich zum Szeneviertel. Überall wird gebaut, neue Konsumtempel entstehen neben altehrwürdigen Kathedralen wie am Solidarnosz-Boulevard. Daneben haben sich die Bazare gehalten: Straßenverkauf für schicke Brautmoden wie für elegante Anzüge für den Bräutigam. Der Heiratsdrang ist nach wie vor hoch, die Geburtenrate liegt 50 Prozent höher als in Deutschland.

Das Oberste Gericht wurde Ende des 20. Jahrhunderts gebaut. Es ist geschmückt mit Karyatiden, die die Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe symbolisieren, sowie Säulen mit Zitaten des römischen Rechts – auf Polnisch und Latein. Das Gebäude selbst symbolisiert ein Tor. Hier befand sich während des Zweiten Weltkriegs eines der Tore zum jüdischen Ghetto.

Das Denkmal erinnert an die Helden des Warschauer Aufstands von 1944. Der ungleiche Kampf gegen die große Übermacht der Besatzer dauerte 63 Tage. Das Denkmal besteht aus zwei Teilen. Der Hintergrund zeigt Aufständische, die unter einem Brückenpfeiler hervorkommen. Im Vordergrund steigt eine Familie hinunter in den Kanalschacht, um vor den Nazis in einen anderen Stadtteil zu fliehen.

In der Heilig-Kreuz-Basilika vertraute König Jan III. Sobieski anno 1636 vor seinem Feldzug gegen die Türken nach Wien sein Vaterland Gott an – das Ergebnis ist bekannt, die christlichen Armeen gewannen. Weniger bekannt ist vielleicht, dass in dieser Basilika eine Urne mit dem Herzen des Komponisten Frederic Chopin ruht; seine übrigen Reste sind auf dem Friedhof Pere Lachaise in Paris begraben.

In einem polnischen Sprichwort heißt es, dass Astronom Nikolaus Kopernikus „die Sonne anhielt und die Erde in Bewegung setzte“.  Seine Theorie über die Bewegung der Himmelskörper bedeutete eine der wichtigsten wissenschaftlichen Revolutionen in der Geschichte der Menschheit. Das von Kopernikus vertretene heliozentrische Weltbild wurde von Johannes Kepler verfestigt, der berechnete, dass die Planeten auf elliptischen Bahnen um die Sonne ziehen.

Der Palast der Kultur und Wissenschaft wurde  als „Gabe des russischen Volkes für das polnische Volk“ 1955 erbaut. Ein potthässlicher Kasten, aber mit 231 Metern noch heute das markanteste und höchste Bauwerk der Stadt: 42 Etagen, 3288 Räume, 1 Mio. Kubikmeter umbauter Raum, heute genutzt von mehreren Theatern, Kinos, Museen, Ausstellungen und Konferenzen. Drumrum recken sich einige Glitzerfassaden in den Himmel - Ausdruck der Gewinnerwartungen potenter Investoren aus aller Welt.

Obama in Warszawa/Warschau

Fernsehen funktioniert prima

Der neue Kathrein-Receiver hilft dem SAT-Schüsselchen auf dem Womo-Dach, sich mit Astra zu verbinden. Was dann am Megasat-Fernseher rauskommt, ist allerbeste HDTV-Qualität – die Fußballweltmeisterschaft kann kommen, wenngleich Jogis Jungs nach dem Kamerun-Spiel noch zulegen müssen.

 

Herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die mit ihrem Abschiedsgeschenk zu diesem Fernseh-Genuss beigetragen haben.

Breslau, die Kunstsinnige

Kunstwerke sind überall in Wroclaw/Breslau verteilt – vom Glaskunst-Brunnen auf dem Rynek (Marktplatz) über die witzigen, kleinen Gnome an allen möglichen und unmöglichen Orten bis hin zu den Steinmenschen, die sich durch das Pflaster schieben. Kein Wunder, dass Wroclaw/Breslau zusammen mit San Sebastian als Kulturhauptstadt 2016 ausgewählt wurde.

Auch Bierbrauen ist eine Kunst. Die Brauerei Spiz braut seit 1226 im Rathauskomplex ihr süffiges Piwo. Gleich nebenan, immer noch im oder besser gesagt: unter dem Rathauskomplex, betreibt die Piwnica Switnicka ihren Ausschank in den weitläufigen Kellern auch schon seit mehr als 700 Jahren. Lessing, Eichendorff, Fallersleben, Chopin, Paul Löbe und natürlich J.W. v. Goethe (wo hat der nicht gesoffen?) waren auch schon hier.

Brunos sozialdemokratisches Herz führt uns auf den jüdischen Friedhof/ Cmentarz Zydowski. Hier ruhen die sterblichen Überreste der Geistesgrößen der Stadt - Poeten, Maler, Humanisten, Wissenschaftler, Bankiers. Wir haben das Grab von Ferdinand Lassal, dem Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie, und seiner Frau Rosalie besucht. (Wikipedia scheibt den Namen französisch: Lassalle)

Impressionen aus Wroclaw/Breslau

Im Internet-Paradies

Freitag, 30.5.2014, Wolken und Sonne wechseln sich ab. Wir meiden die Autobahn und fahren auf gut ausgebauten Landstraßen nach Wroclaw. In den Getreide- und Rapsfeldern blühen Kornblumen und Klatschmohn – das gibt’s in D nur noch bei Biobauern. Die ersten Störche in ihren Nestern in luftiger Höhe haben wir auch schon gesehen; Fotos folgen später. Endlich können wir die Homepage bearbeiten. Auf dem Campingplatz in Wroclaw/Breslau gibt es gleich zwei Hotspots. Die ganze Innenstadt ist mit einem Netz an freien Internetzugängen bestückt.

Grenzland und Görlitzer Zeit

Blick von Görlitz nach Zgorzelec.
Blick von Görlitz nach Zgorzelec.

Donnerstag, 29.5.2014, Nieselregen, nachmittags nur noch bewölkt. Wir sind endlich unterwegs. Görlitz bildet heute zusammen mit Zgorzelec eine Europastadt, teils herausgeputzt, teils unsanierter Leerstand, aber allemal sympathisch. Heute feiern die Görlitzer „Männertag“ (unser "Vatertag"). Die Kirchen sind geöffnet, ebenso die Gaststätten. Die Menschen treffen sich meist in geschlechtsgetrennten Gruppen – die einen mit Bollerwagen und Zylinder, die anderen fein gewandet zum Feiertag.

Blick von Polen auf die Peterskirche.
Blick von Polen auf die Peterskirche.

Wir spazieren durch die Doppelstadt, über die Lausitzer Neiße und zurück, Dank Schengenraum gänzlich ohne Passkontrolle – hoch lebe Europa. Vor 36 Jahren, als Bruno das erste Mal zum Jugendaustausch in Polen war, zu Zeiten des Kalten Krieges, war der Grenzübertritt noch mit mulmigen Gefühlen, endlosen Wartezeiten und scharfen Kontrollen verbunden, bis hin zum Spiegel unterm Reisebus.

 

Unsere „Mitteleuropäische“ ist übrigens „Görlitzer Zeit“: Auf der Internationalen Meridiankonferenz 1884 in Washington wurde der Nullmeridian auf die Lage der Sternwarte in Greenwich bei London festgelegt. Zudem wurde die Erde in 24 Zeitzonen von je einer Stunde mit jeweils 15 Längengraden aufgeteilt. Für Deutschland wurde 1893 verfügt: „Die gesetzliche Zeit in Deutschland ist die mittlere Sonnenzeit des 15. Längengrades östlich von Greenwich.“ Der 15. Meridian läuft durch Görlitz, die Ortszeit entspricht der MEZ.

Eine neue Reise