Zwischen Mitternacht und 3.00 Uhr früh

Auszeit am Inarisee

10.-13.7. Unsere Reiseführer streiten, ob der Inarijärvi nun der zweit- oder drittgrößte See Finnlands ist – einerlei. Seine Größe ist ohnehin nicht zu erfassen, denn rund 3000 Inseln und Felsrücken versperren den Blick. Zwischen Ivalo und Inari schauen wir uns den gut beworbenen Bärenhöhlenstein an und genießen den Blick von der Aussichtsplattform nach 470 Holztreppenstufen auf die Wald- und Seenlandschaft, bevor uns der Regen wieder nach unten treibt.

 

Das Dorf Inari ist bei Nieselwetter ziemlich trist. Überaus sehenswert ist Siida, das Sami-Museum und Nordlappland-Naturzentrum, wo wir viel gelernt haben über die nordischen Jahreszeiten, die 9000-jährige Besiedlungsgeschichte sowie die Kultur, Religion und den Alltag der verschiedenen Sami-Stämme. Im Freilichtbereich besichtigen wir die Zelte, Hütten, Lager und Unterstände der Fischer- und der Rentier-Sami sowie der Goldwäscher – und freuen uns, als die Sonne endlich die Wolkendecke durchbricht.

 

In den lappländischen Norden

9.7. Eigentlich wollten wir von Kittilä aus Richtung Nordosten zum Lemmenjoki-Nationalpark und weiter nach Inari fahren. Allerdings liegen auf dieser Strecke 58 km allerfeinster Waschbrettpiste; unsere Navi berechnet viereinhalb Stunden für die Stecke bis Pokka, wo die Asphaltstraße wieder weitergeht. Wir wären dennoch gerne durch die dünn besiedelte Natur gefahren. Aber das Wetter macht einen Strich durch die Rechnung: Bei Niesel und Regen wollen wir nicht über unwegsame Piste rumpeln. Und wir lassen auch gerne noch Ziele für kommende Reisen nach Finnland.

 

So machen wir Strecke am Regentag, knapp 300 km. In Sodankylä, das sich vom mittelalterlichen Handelsplatz zur High-Tech-Gemeinde mit geophysikalischer Sternwarte entwickelt hat, schauen wir uns die alte Kirche von 1689 und die neue Kirche von 1859 an. In der Nähe beeindruckt uns das Denkmal des Samen, der ein Rentier fängt. Da es wieder regnet, verzichten wir auf den Stopp zum Goldwaschen in Tankavaara, und fahren gleich durch bis Ivalo am Inarisee.

 

Lappländischer Markt in Kittilä

Im Wintersportzentrum am Ylläs

Mit 718 m ist der Ylläs der höchste Berg weit und breit. Im Winter ist hier sicher Hochbetrieb. Heute läuft sogar die Gondelbahn auf den kahlen Gipfel. Fahrgäste sehen wir aber nicht, nur ein paar Wanderer, Joggerinnen, Mountainbike-Radler. Nur wenige der Hotelburgen und Restaurants sind in Betrieb. Die Schneekanonen sind an einer Lagerhalle zusammengerückt, in der vielleicht die Pistenraupen parken. Wir verbringen hier eine ruhige Nacht.

 

Der Bahnhof von Kolari

In Kolari steht der nördlichste Bahnhof Finnlands. Auch hier ist tote Hose. Der elektronische Fahrplan meldet für heute keine Abfahrt oder Ankunft eines Zuges, die Wartehalle ist abgeschlossen. Das „Eight Seasons Cafe“ in der linken Hälfte des Bahnhofsgebäudes hat geschlossen bis zum Beginn der Wintersaison im Dezember. Betrieb ist dagegen an der Holzsammelstelle für die Verladung auf die Schiene. Gerade wird ein Lastwagen mit Hänger in Windeseile abgeladen.

 

Wieder am nördlichen Polarkreis

Wir passieren wieder Napapiiri, den Nordpolarkreis bei 66°32‘35‘‘, diesmal aber südlich der Gemeinde Juoksenki. Viel los ist hier nicht, was verwundert, denn die E 8 ist eine der schnellsten Routen zum Nordkap. Ein paar wenige Womos und Motorräder halten am Polarkreisschild. Ein Café mit Souvenirgeschäft bietet samisches Kunsthandwerk, Norwegerpullover und allerlei Nippes. Wir hatten uns auf das Lounas Buffet gefreut, dass es heute leider nicht gibt. Schade, dann essen wir eben wieder im Mobil.

 

Schindeldach decken ist Teamarbeit

Stromschnellen am Tornionjoki

8.7. Der Tornionjoki ist Europas längster unregulierter Strom. Nur 15 km hinter Tornio treffen wir auf das erste Katarakt: Kukkolankoski hat auf 3500 m Länge ein Gefälle von 13,8 m, und ist damit Finnlands längste Stromschnelle. Neben dem reißenden Gewässer lädt ein Café zur Rast, in dem man den frisch gefangenen, geräucherten Weißfisch bestellen und das schwedische Ufer gegenüber beobachten kann. Die Räucherhütte ist bereits angeheizt und wartet auf Nachschub durch die Angler. Für die wird erst mal ein Steg in der Brandung repariert.

 

Sehr viel beschaulicher geht es an der nächsten Stromschnelle zu. Matkakoski ist nur einen km lang, schäumt aber nicht minder heftig. Allerdings ist das Drumherum viel romantischer: nur drei Hütten zum Übernachten, dazu eine Grillhütte, und das war‘s. Die Stege zum Angeln sehen weitaus rustikaler und stabiler aus als am Kukkolankoski – ganze Baumstämme als Stütze und 5 cm dicke Holzplanken für den stabilen Stand der Angler, die allerdings heute nicht an diesen schönen Platz gekommen sind.

 

An der schwedischen Grenze

6.-7.7. Wir sind dem Kemijoki bis zu seiner Mündung in den Bottnischen Meerbusen gefolgt und wollen am Tornionjoki entlang, dem Grenzfluss zu Schweden, wieder nach Norden fahren. An seiner Mündung liegt die finnisch-schwedische Doppelstadt Tornio-Haparanda. Hier suchen wir erst mal die Grenze – gar nicht so einfach. Wir finden den Victoria-Platz (benannt nach der schwedischen Kronprinzessin) mit dem Zukunftsbogen (in weiß-blau-gelb, den Flaggenfarben beider Länder) und einen 130 m langen, Brücken-überspannten Kanal, der die Grenzlinie markiert.

 

Im Gegensatz zu vielen mitteleuropäischen Übergängen wurden allerdings die alten Grenzgebäude noch nicht abgerissen. Die schwedischen Grenzanlagen sind nicht mehr an den Verkehr angeschlossen, wirken ungenutzt und rotten vor sich hin. Im finnischen Grenzgebäude brennt zwar noch Licht, der Verkehr aber fließt unkontrolliert auf der neuen Trasse vorbei. In beiden Ländern stehen grenznah große Einkaufszentren: Hier werden auf drei Etagen vor allem finnische Mode, Wohnaccessoires und Designerstoffe angeboten, drüben grüßt ein Riesenladen von Ikea.

 

Die Kirche von Tornio ist ein echtes Schmuckstück: rechteckig gebaut, mit schindelgedecktem Dach, hohem Turm und separatem Glockenturm. 1686 geweiht, ist sie die einzige bis heute erhaltene Strebepfeilerkirche im nordischen Stil. Das Dach des Kirchenraums wird aus vier Kuppelgewölben gebildet, von denen zwei reich bemalt sind; besonders beeindruckt die Altarraumkuppel mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Leider war im Innenraum fotografieren verboten. Deshalb gibt es hier auch kein Bild der Kanzel, die Schreiner Nils Fluur aus Tornio geschnitzt hat.

 

Traditionelle samische Mode

Die größte Stadt Europas

3.-5.7. Seit dem Jahreswechsel 2005/2006 sind Stadt und Landkreis Rovaniemi vereint. Bei der Einwohnerzahl (60.112) kann die Stadt am Polarkreis nicht punkten, wohl aber bei der Fläche - mit 8016 qkm ist sie nun flächenmäßig die größte Stadt Europas (Großraum London: 1572 qkm). Die 320 m lange Jätkänkynttilä- (= Holzfällerkerzen-) Hängebrücke überspannt den Fluss Kemijoki. Auf den Doppelpfeilern leuchten auch tagsüber Lichter; nachts soll die ganze Brücke angestrahlt sein. Aber wann ist hier schon mal Nacht?

 

Durch die ideale Lage am Zusammenfluss zweier großer Ströme galt Rovaniemi schon früh als Treffpunkt für Flößer, Handwerker und Händler, und war bereits im 11. Jahrhundert ständig besiedelt. Dass man dennoch kaum alte Gebäude in der Stadt findet, dafür haben die deutschen Truppen gesorgt: Zum Ende des Zweiten Weltkrieges, im Winter 1944/1945, brannten sie mehr als vier Fünftel der überwiegend aus Holzhäusern bestehenden Siedlung nieder. Noch lange Zeit danach galten die Deutschen in Finnland als „Lapplandverbrenner“.

 

Mit dem Wiederaufbau Rovaniemis nach 1945 wurde der finnische Architekt Alvar Aalto beauftragt. Gemäß seinen Plänen wurden die Hauptstraßen nach den Grundzügen eines Rentiergeweihs angelegt. Die Gebäude, die er hier schuf, tragen unverkennbar seinen Stil, den wir bereits in Jyväskylä kennen gelernt haben: Mehrere Gebäude der Stadt- und Regionalverwaltung, die Stadtbücherei und das Lappia-Haus, in dem regelmäßig Theater- und Konzertaufführungen stattfinden, sind außen mit weißen Kacheln verkleidet; die Dachformen hat er der lappländischen Landschaft nachempfunden.

 

Rovaniemi ist das Wirtschafts-, Verwaltungs- und vor allem kulturelle Zentrum Lapplands. Wir haben uns gleich drei Museen „gegönnt“: Das Arktikum ist mit seiner markanten Glaskuppel nicht nur architektonisch eine Augenweide, es enthält mit dem Arktischen Zentrum und dem Lappländischen Regionalmuseum auch zwei überaus fesselnde Ausstellungen über die Natur, die Landschaft und das Leben nördlich des 60. Breitengrads sowie den Wandel der nomadischen Kultur der Sami. Im Pilke-Haus gleich nebenan geht es interaktiv um die nordischen Wälder.

 

Das Kulturhaus Kurundi – ebenfalls ein architektonisches Highlight – beherbergt das sehr sehenswerte Kunstmuseum der Stadt und bietet die perfekte Akustik für das Kammerorchester Lapplands. In wechselnden Ausstellungen werden Bilder und Grafiken, Objekte und Installationen von nordischen KünstlerInnen gezeigt. Begeistert haben uns vor allem die Werke von Joyce Majiski zu „Nordischen Mythen“, sowie von Reidar Särestöniemi (1925-1981), der lappländische Landschaften in atemberaubenden Farben gemalt und mit riesigen Lettern signiert hat.

 

Am Napapiiri, dem nördlichen Polarkreis

Rund um den Globus zieht sich auf 66°32‘35‘‘der Nordpolarkreis. Nördlich dieses Breitengrads gibt es eine Zeit rund um Weihnachten, in der die Sonne nicht aufgeht und im Sommer nicht untergeht; direkt am Polarkreis ist dies am 21. Juni der Fall. Was aber nicht bedeutet, dass es hier nachts dunkel wird: In der nahe gelegenen Stadt Rovaniemi dauern die „weißen Nächte“ vom 6. Juni bis 7. Juli. Je näher wir Richtung Nordpol kommen, desto länger steht die Sonne 24 Stunden am Himmel; in Utsjoki an der Nordgrenze zu Norwegen scheint die Mitternachtssonne vom 17. Mai bis 27. Juli.

 

Im Arktis-Zoo in Ranua

Eine neue Reise