Manche Häuser in Finnland werden wohl nur im Sommer genutzt. Warum soll man da eine feste Garage bauen, die regelmäßig gestrichen und gereinigt werden will? Diese Lösung für eine Autogarage haben wir öfter gesehen: eine stabile Kunststoffplane über einem soliden Metallgestell, das fest im Boden verankert ist. Für uns neu ist die Dimension des Dachs über dem rechten Stellplatz, unter der bequem auch ein Wohnmobil vor den Unbilden des Wetters geschützt wird.
Von der Hauptstraße aus ist meist nur ein kleiner Weg ins Nirgendwo zu sehen. Unbewohntes Gebiet, könnte man meinen, wäre da nicht die Briefkastenreihe am Straßenrand. Alle Häuser und Mökkis verfügen über eine Adresse. Das ist nicht unbedingt ein Straßenname; meist reicht die Nummer des Flurstücks, damit die Post ihren Empfänger findet. Für größere Pakete steht oft ein großer Holzkasten mit breiter Öffnung und Dach als Wetterschutz bereit.
Die Finnen lieben ihre Mökkis, ihre Ferienhäuser auf dem Land, mitten im Wald, am liebsten aber an einem der 187.888 großen Seen oder einem der ungezählten kleinen Tümpel unter 500 qm Wasserfläche. Zur Hütte gehört unbedingt eine offene Feuerstelle im Freien, gerne auch mit gemauertem Kamin gegen den Funkenflug, sowie oft auch eine Sauna im schlichten Holzblockhaus. Fast jedes Mökki am See verfügt über einen eigenen Bootssteg. Die Häuschen hier haben sich den Steg gespart und ihre Boote einfach an Land gezogen.
Rund 180 km lang ist die Teerroute, auf der die Teerfässer vom ostfinnischen Kuhmo über Flüsse und Seen bis zum Bottnischen Meerbusen gebracht wurden (die Fahrradroute braucht über Land 350 km). Oulu war im 19. Jahrhundert einer der weltweit größten Teer-Exporthäfen; im Gegenzug wurde Salz importiert, das in den Holzspeichern beim Marktplatz gelagert wurde. Erst der verstärkte Bau von Stahlschiffen sorgte für den Niedergang des Teerhandels. Heute können wir in den Speichergebäuden lecker essen und Kunsthandwerk anschauen.
Oder auf dem Markt und in der rostroten Markthalle Lebensmittel für die Selbstversorgung kaufen. Während außen Obst, Gemüse und vor allem Sonnenbrillen, Souvenirs und Süßigkeiten angeboten werden, finden wir in der Halle frischen Fisch und geräuchertes Fleisch, Stände mit Kaffee und Gebäck oder Mittagessen zum günstigen Preis. In der Ouluer Markthalle haben wir zum ersten Mal einen Stand mit Elchfleisch und Würsten vom Riesenhirsch, mit ganzen Elchfellen und warmen Hausschuhen aus Elchleder gesehen.
28.-30.6. Im Freilichtmuseum Turkansaari bei Oulu erfahren wir vieles über die Wohnsituation und die Arbeitsverhältnisse der Waldarbeiter und Teerbrenner. Die Holzfäller waren mit rund 20 Kollegen in einem Raum untergebracht; geschlafen wurde in Stockbetten, die persönlichen Sachen in einem Spind verstaut; das Essen wurde aus der Küche geliefert. Die Teerbrenner in den Wäldern im Osten lebten ärmlicher, auf Holzbrett-Massenlagern oder in niedrigen Hütten. Bewundert haben wir die Handwerkskunst, mit der ein Ast zum Dreibeinstuhl gebogen wurde oder um eine Teertonne geknotet wird.
Die Herstellung von Holzteer wurde im Nord-Österbotten-Museum erklärt: Zuerst wird ein hohler Holzstamm schräg vergraben; eine Öffnung im oberen Teil soll die Teerflüssigkeit aufnehmen und am unteren Ende in ein Fass entlassen. Schwarze Erde wird so aufgefüllt und festgestampft, dass eine riesige Kuhle entsteht, die mit Baumrinde abgedeckt wird; darüber wird entrindetes Teer-Holz geschichtet, mit Erde und Grassoden abgedeckt und angezündet. Nach einer Woche wird der Teer in Fässer abgefüllt, auf Schiffe verladen und über die Stromschnellen des Oulujoki nach Oulu gebracht, wo der Teerhandel bis Ende des 19. Jahrhunderts blühte.
Für die Nacht steuern wir den kleinen Campingplatz in Haapavesi an – und erleben eine grandiose Überraschung. In den Hütten übernachten einige Musikgruppen, die zum Folk-Music-Festival vom 30.6. bis 2.7. angereist sind. Und die improvisieren munter zusammen: die singende Fraktion trifft sich in der Grillhütte; einige reden und schwofen im Zelt daneben; in der Camping-Kneipe musizieren 10 Geigen, 1 Cello, 5 Gitarren/Lauten/Zupfinstrumente, 1 Akkordeon und 1 Metallflöte munter drauflos – und außerdem gewinnt Island 2:1 gegen England. Toller Abend.
Den geografischen Mittelpunkt Finnlands findet unsere Navi über die Koordinaten 64°10'50.5"N 25°48'10.9"E bei Leskela, gleich neben der Europastraße 75, die von Helsinki über Oulu und Ivalo bis zur Barentssee führt. Eine Säule aus Feldsteinen, umgeben von einer niedrigen Hecke, bietet den Hintergrund für „Suomen Keskipiste“, das Zentrum Finnlands. Sehr unspektakulär, heute ohne finnische Fahne, und von unserer Straße aus nicht ausgeschildert. Fast wären wir vorbeigerauscht …
27.6. Die gelb leuchtende Holzkirche in Maaninka hat uns überrascht. In Kreuzform 1826 bis 1845 gebaut, wirkt sie sehr groß. Dabei bietet sie heute nur noch 1000 Sitzplätze für die Gläubigen. Vor ein paar Jahren waren es noch doppelt so viele. Nachdem der Kirchenbesuch auch in Finnland zurückgegangen ist, hat man kurzerhand in den Kreuzenden neue Holzwände eingezogen und die Emporen abgebaut. Jetzt erscheint die Kirche sehr hell und hoch, der Luftraum geht über beiden Etagen. Die dezente Farbgestaltung trägt zum ruhigen Gesamtbild bei.
Der höchste Wasserfall Finnlands befindet sich zwar auf der Gemarkung von Maaninka, aber knapp 20 km weiter nordwestlich beim Dorf Tuovilanlahti, etwas abseits der Straße in einem Waldgebiet. Ein richtiger Wasserfall ist hier aber nicht. Über eine Fallhöhe von 46 m sprudelt er um Felsen, gurgelt an Steinen vorbei, rauscht dann und wann tatsächlich ein paar Meter in freiem Fall. Dass nach der Schneeschmelze mächtig Wasser bewegt wird, sehen wir an den umgestürzten und mitgerissenen Bäumen.