Fußball, Frisbee, Hölzchenwurf, Baseball

Mittsommer in Kuopio

23.-26.6. In Finnland wird das Mittsommerfest auf den Samstag zwischen dem 20. und dem 26. Juni gelegt; so bleibt ein freier Tag, um den Kater zu pflegen. Juhannus (so heißt der Johannestag in Finnland) wird gerne auf dem Land gefeiert, möglichst an einem See. Unser Campingplatz in Kuopio war gut gefüllt an diesem langen Wochenende. Das Mittsommerfeuer am Strand wurde schon am Freitag um 19 Uhr entzündet, ab 22 Uhr wurde zum Sound einer Rockband geschwoft. Zwar ging die Sonne um 23.22 Uhr unter, doch dunkel wird es auch in Mittelfinnland noch lange nicht.

 

Kuopio sieht sich als lebendige Großstadt inmitten von Wäldern und Seen. Am Samstag, zu Juhannus, aber sind die Menschen eher auf dem Land, in ihrem Mökki am See. Die Innenstadt von Kuopio scheint entvölkert, die Geschäfte und Museen machen Pause, nur die beiden großen Kirchen sind geöffnet: Die orthodoxe Nikolauskathedrale ist Sitz des Metropoliten (Erzbischofs) des Landes, der Dom ist Wirkungsstätte des lutherischen Bischofs. Geschlossen ist natürlich auch das Stadthaus (Rathaus), das 1882 im Stil der Neorenaissance errichtet wurde. Deshalb bleiben die beiden Trolle unter sich.

 

Dem Rathaus gegenüber steht eine wunderschöne Markthalle, 1902 erbaut in reinstem Jugendstil. An der Außenwand bewundern wir ein Fries, mit dem die Steinmetze ins Innere der Halle locken wollen – zu Obst und Gemüse, zu Rindern und Schweinen, zu Fischen und Krebsen. Gerne hätten wir „Kalakukko“ probiert, eine Spezialität der Region Savo, bei der ein Roggenbrotlaib mit Fisch (meist Barsch, Maränen) und Schweinefleisch gefüllt ist. Ursprünglich war dies ein nahrhaftes Mittagessen, das Fischer und Bauern leicht zur Arbeit mitnehmen konnten.

 

In der Provinz Savo

22.-23.6. Varkaus ist die Klavier-Hauptstadt Finnlands. Grund genug für einen Darmstädter, hier ein besonders originelles Museum für mechanische Musikinstrumente aufzubauen. Von Spieldosen und Grammophonen über automatische Klaviere und Tanzorchester bis hin zum „Popper Goliath“, dem weltweit größten Orchestrion. Eine weitere Besonderheit in Varkaus ist ein Wasserturm, der mitten in einem 45 m hohen Wohnhochhaus steht. Vom Aussichtscafé in der obersten Etage schweift der Blick weit über die Wald- und Seenlandschaft.

 

Stora Enso prägt das Bild im nördlichen Teil von Varkaus: Neben den Produktionsgebäuden des Papier- und Kartonherstellers ragen die Halden mit Holzmehl in den Himmel. Immer neu beliefert werden sie über ein breites, überdachtes Förderband hoch über dem Gelände. Ein ganzes Stück weiter sehen wir riesige Holzhalden, in denen die Stämme gleichmäßig mit Wasser besprüht werden. Der finnisch-schwedische Konzern ist, gemessen an der Produktionskapazität, das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt sowie einer der größten Papier- und Verpackungsmittelhersteller.

 

In finnischen Klöstern wird nicht nur gebetet. Im Nonnenkloster Lintula beispielsweise werden die Bienenwachskerzen für alle orthodoxen Kirchen in Finnland hergestellt. Wir erhaschen in der Mittagspause einen kurzen Blick in die Produktionshalle: Hier laufen die schmalen Bänder der Wachskerzen von einer großen Trommel quer durch den Raum und werden dann wohl irgendwo in normale Kerzenlänge geschnitten und verpackt. Die Klosteranlage selbst wirkt sehr freundlich und still und lädt zum Verweilen in entspannter Atmosphäre.

 

Ganz anders das Mönchskloster Uusi-Valamo: Hier herrscht reger Betrieb – von Pilgern, Klosterbrüdern und Touristen. Gegründet wurde das Kloster von Mönchen, die ihre Heimat auf der Insel Valamo im Ladoga-See 1940 verlassen mussten. Mitgebracht haben sie wertvolle Ikonen, Kirchengeräte und einen Teil der Klosterbibliothek. Heute floriert das Kloster mit Hotelbetrieb, Restaurant und Souvenirshop. Auf dem Weingut des Klosters – dem laut Infoprospekt größten Weingut Finnlands – werden Weine, Sekte und Liköre hergestellt.

 

Eine markante Wegmarke im Seengebiet

Die alte Kirche von Petäjävesi (1765) ist ein bedeutendes Denkmal der Holzarchitektur und steht seit 1994 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Erbaut wurde sie in Form eines Kreuzes unter der Leitung von Jaakko Leppänen; die örtlichen Zimmerleute haben ihre Initialen in die Bögen des Dachgewölbes geschnitzt. Wir betreten die Kirche durch den Glockenturm, der erst 60 Jahre später angebaut wurde. Innen beeindrucken die schlichten Holzwände und das hohe Deckengewölbe. Lediglich die Kanten der Gewölbe und die Querbalken sind mit einem roten Muster bemalt.

 

Eine Stadt der Bildung und Architektur

20.-21.6. Jyväskylä, am Nordende des Päijänne gelegen, wächst schnell. Mit 137.000 EinwohnerInnen – rund ein Viertel davon sind StudentInnen – ist sie nun siebtgrößte Stadt Finnlands. Jyväskylä bezeichnet sich gerne als „Wiege der Bildung“. Denn hier wurden die erste finnisch-sprachige Volksschule, das finnisch-sprachige Lehrerseminar und die Mädchenschule gegründet. Die Universität genießt einen außerordentlich guten Ruf, besonders der Fachbereich Architektur sowie die Sportwissenschaftliche Fakultät und das Zentrum für Wettkampf- und Spitzensport.

 

Die Matti-Nyänen-Sprungschanze sehen wir von unserem Womo aus. Die Schanze im Skizentrum Laajavuori wurde 1965 eingeweiht und erhielt 1988 ihren heutigen Namen, nachdem der gebürtige Jyväskyläer bei den Olympischen Spielen in Calgary drei Goldmedaillen gewonnen hatte. Jyväskylä aber steht nicht nur für Wintersport, hier ist auch im Sommer was los: Gleich neben dem Camping liegen ein riesiger Hochseilgarten und ein Wandkletterareal. Im Sportpark Kangaslampi schlägt das Herz des finnischen Parkour; dort wurde die erste Parkour-Halle Skandinaviens errichtet.

 

Der Bahnhof von Jyväskylä ist wieder ganz nach unserem Geschmack: Ein schmuckes Holzhaus mit Nebengebäuden, noch voll in Betrieb. Auf den Gleisen verkehren die Personenzüge der Bahnlinien von Pori nach Joensuu und von Tampere nach Oulu. Bei der Bahnfracht tut sich auch etwas: Hier stehen lange Waggonreihen mit Holzstämmen und warten auf den Weitertransport. Wenn die Birkenstämme nicht zu Sperrholz für die Möbelproduktion verarbeitet werden, landen sie womöglich in einer der Papier- und Kartonfabriken.

 

Aaltos bringt Birkensperrholz in Schwung

Ein genialer Baumeister und Gestalter

In Jysäskylä hat Alvar Aalto (1898-1976) viele Spuren hinterlassen: Hier besuchte er die Schule, hier hat er sein erstes Architekturbüro eröffnet, allein 30 Gebäude hat er hier gebaut oder umgebaut – vom Haus der Arbeiter und der Universität über ein Wohnhochhaus mit Seeblick, dem Verwaltungs- und Kulturzentrum bis hin zum Zentralfinnischen Museum und einem Theater, die erst nach seinem Tod vollendet wurden. Wichtig war ihm immer die Gesamtsicht auf das Bauwerk – inklusive zeitlos schöner Möbel, Farbgestaltung und Lichtkonzept.

 

Rund um den Päijänne

19.-20.6. Heinola empfängt uns mit Regenschauern. Deshalb lassen wir es langsam angehen in dieser Idylle im Südosten der Päijänne-Seenplatte. Erst nachmittags radeln wir durch das 20.000-EinwohnerInnen-Städtchen: den Moränenhügel hoch zum Wasserturm (Café leider schon geschlossen), weiter zur achteckigen Holzkirche mit dem in Südfinnland so häufigen Glockenturm von C.L. Engel und dann am See entlang zu Yachthäfen und Anlegestellen, der großen Freilichtbühne und den mondänen Holzvillen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

 

Wir hatten uns schon auf einen Bahnhof mit Kopf gefreut, als wir den Stadtplan von Heinola angeschaut haben. Aber weit gefehlt: Der Bahnhof ist heute das Domizil eines Künstlers oder einer Künstlerin, in dessen/deren Garten, entlang der noch bestehenden (und wohl auch noch befahrenen) Bahngleise, jede Menge genietete, geschraubte und geschweißte, immer bunt angemalte Groß- und Kleinfiguren herumstehen. Bruno fand den Elefanten samt Begleitung ganz nett.

 

Vom Päijänne, der „Perle der finnischen Seenplatte“, wie die Werbung bekundet, sehen wir bei der Fahrt am Ostufer entlang nach Norden nicht so viel. Das gleiche Bild wie auf der Schärenringstraße: vorwiegend Wald, ein paar Höfe und Felder, wenige Dörfer und viele Mökkis, die typischen Ferienhäuschen; nur von den Brücken erschließt sich der See mit seinen unzähligen Inseln. Dabei ist der Päijänne der längste (rund 120 km), der tiefste (etwa 100 m) und wasserreichste See Finnlands. 1 Mio. Finnen nutzen das saubere Wasser als Trinkwasserreservoir.

 

Schnauferl-Rallye in Hollola

Rund um Hämeenlinna

17.-18.6. Hattula zählt zu den ältesten christlichen Gemeinden Finnlands. Die Heilig-Kreuz-Kirche ist neben dem Dom von Turku und der Burg von Hämeenlinna das einzige, erhaltene Backsteingebäude aus dem Mittelalter. In katholischer Zeit war sie eine bekannte Wallfahrtskirche. Heute bewundern wir die gut erhaltenen, farbenfrohen Kalkmalereien an den Wänden und die zahlreichen Holzskulpturen, wie etwa eine Marienstatue aus der Zeit um 1300. Die Kanzel mit ihren schönen Schnitzereien ruht auf einer mächtigen Holzfigur.

 

Finnlands älteste Binnenland-Stadt Hämeenlinna verdankt ihren Namen der mächtigen Burg Häme. Sie thront seit dem 13. Jahrhundert am Ufer des Sees Vanajavesi. Sie wurde nie eingenommen und ist deshalb gut erhalten. 1830 wurde sie zum Gefängnis umgebaut und als solches bis in die 1970er-Jahre genutzt. Im Inneren lockt die Ausstellung mit dem schönen Namen „Heavy Metal“ – kein Musikspektakel, sondern eine Präsentation eiserner Rüstungen und mittelalterlichem Metallgeschirr. Neben der Burg finden wir einen ruhigen Platz für die Nacht.

 

Jean Sibelius (1865 – 1957) ist der bekannteste Sohn der Stadt Hämeenlinna. Sein Geburtshaus wurde als Museum eingerichtet, im Sibelius-Park erinnert eine Statue an Finnlands bedeutendsten Sinfoniker. Große Erfolge erzielte er mit seiner Chorsinfonie „Kullervo“, die vom finnischen Nationalepos „Kalevala“ inspiriert wurde. Bei der Weltausstellung 1900 in Paris begeisterte der Komponist mit seinem Musikstück „Finlandia“ das internationale Publikum.

 

Die Marienkirche in Hollola (um 1500) ist zweischiffig – was zu der etwas gewöhnungsbedürftigen Aufteilung führt, dass der Altar direkt der Mittelpfeilerreihe gegenübersteht und das Kirchengestühl nicht auf den Altar ausgerichtet ist. Viele Holzstatuen und Fragmente der einst bunten Wandmalereien zieren die mittelalterliche Steinkirche. Der Zugang führt durch die Waffenkammer, in der die edlen Recken vor dem Betreten der Kirche ihre Waffen ablegen konnten. Wir besichtigen das Gotteshaus nach einer Beerdigung und unmittelbar vor einer Hochzeit.  

 

Im südfinnischen  Glasreich

17.6. Weltberühmt sind die Vasen von Alvar Aalto. Produziert werden sie noch heute in der Glasfabrik von Iitala – neben anderen kunstvollen Gebrauchsgläsern, Briefbeschwerern, Glasvögeln, etc. Hautnah konnten wir den Glasbläsern bei ihrer Arbeit zusehen, den Lärm und die Hitze spüren. Die Glaskunstwerke werden in Formen geblasen – früher aus Holz, heute aus Metall. Und wenn das Werkstück die neue Form nicht formvollendet verlässt, muss der herbeigerufene Handwerker mit der Flex das Metall eben nachschleifen. Heute gehört das Glaswerk mit dem „i“ zum Fiskars-Konzern.

 

Arbeitersiedlung mit Gemeinschaftsküchen

Vom „finnischen Manchester“ zur Kulturstadt

14.-17.6. Tampere war einst Vorreiter der Industrialisierung. Die beiden Seen Näsijärvi und Phyäjärvi sind durch die Stromschnelle Tammerkoski miteinander verbunden – ein idealer Ort für energiehungrige Betriebe. 1783 entstand hier die erste Papierfabrik, 1820 gründete der Schotte James Finlayson die Finnische Baumwollspinnerei; Unternehmen der Stahl-, Maschinenbau-, Metallverarbeitungs- und Papierindustrie zogen nach und nutzten die Wasserkraft der Katarakte. Als Folge der Wirtschaftskrise musste auch in Tampere die Schwerindustrie neuen Erwerbszweigen weichen.

 

Mit der Ansiedlung von Firmen der Informations-, Energie-, Umwelt- und Gesundheitstechnologie in Tampere ist dies gelungen. Allerdings sind die nicht in die alten Backsteingebäude an der Stromschnelle gezogen, sondern haben in den Außenbezirken neu gebaut. Die ehemaligen Fabrikgebäude wurden umgebaut zu Büros und Geschäftszentren, vor allem aber fanden Museen, Galerien, Theater und Kulturzentren, Bistros und Restaurants hier ein neues Domizil. Und gleich daneben entstand schicker Wohnraum für die urbane Bevölkerung.

 

Rund um den zentralen Platz reihen sich einige repräsentative Gebäude – vom Tampere Theater über das Rathaus bis zu mondänen Jugendstilbauten rund um den Busbahnhof. Die Alte Kirche stammt von 1824, die Uhr des etwas jüngeren Glockenturms hat nur einen Zeiger. Der Springbrunnen ist ein Geschenk der Textilfabrik Finlayson an die Frauen der Stadt, die sich hier kostenlos sauberes Wasser holen konnten. Wenn die Sonne scheint, ist der Platz ein beliebter Treffpunkt, bei Regen wirkt er so öde wie all diese großen „Aufmarschplätze“.

 

Tampere hat zahlreiche Kirchen – von der einfachen Holzkirche über die zwiebelturmbekrönte orthodoxe Kirche bis zum Dom in schönstem Jugendstil. Außergewöhnlich ist die Kaleva-Kirche: Sie thront auf einem Granitbuckel über dem gleichnamigen Wohnblock-Quartier. Von außen wirkt sie abstoßend, unnahbar, mit senkrechten Fensterschlitzen wie Schießscharten. Der Innenraum ist ganz anders – sehr harmonisch, großzügig, hoch, farblich beschränkt auf hellen Beton und Kiefernholz, ganz ohne rechten Winkel gebaut. Ein großartiges Werk des Architektenpaares Reima und Raili Pietilä.

 

Eine neue Reise