Rund um Evora wurden in den Feldern und Korkeichenwäldern rund 170 steinzeitliche Kultstätten gefunden. Beim Cromeleque dos Almendres sind rund 100 Menhire versammelt, angeordnet in zwei konzentrischen Steinkreisen. Der Cromlech ist die größte Ansammlung von stehenden und liegenden Riesensteinen auf der iberischen Halbinsel und eine der bedeutendsten Fundstätten in Europa. Einzelne Menhire sind mit eingeritzten Bildern und Symbolen versehen, denen magische Kräfte zugeschrieben werden. Wir konnten es nicht verifizieren.
Ein Stadtmauerring, alte Kirchen, herrschaftliche Paläste und ein römischer Tempel – Evora wurde bereits 1986 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Der römische Tempel hat vermutlich nur deshalb das Erdbeben von 1755 überdauert, weil zwischen den Säulen im 14. Jahrhundert Mauern hochgezogen wurden. Der so entstandene Saal diente lange als Schlachthof. Erst im 19. Jahrhundert wurden die 14 korinthischen Säulen aus Granit mit ihren Kapitellen aus Marmor wieder freigelegt.
Die Kathedrale mit ihren wuchtigen Außenmauern und den winzigen Fenstern, mit den zwei ungleichen Türmen an der Westfront und dem Türmchen über dem Chor hat uns gleich begeistert. Im Inneren wirkt das Mittelschiff unglaublich hoch und elegant. Bemerkenswert ist die kunstvoll geschnitzte Figur einer schwangeren Madonna – und natürlich der Kreuzgang, in dem man über eine schmale Wendeltreppe im Eckturm auf das Dach steigen kann und die Rundumsicht genießt.
Europas größter Stausee erstreckt sich über 250 qkm in den Tälern des Baixo Alentejo, 63 qkm davon liegen in Spanien. Der Rio Guadiana, den wir schon aus Spanien kennen, wird hier über eine Länge von 83 km aufgestaut. Entstanden sind dabei 1100 km Uferzonen, die die Touristen anlocken sollen; abgeholzt wurden dafür 20.000 ha Steineichenwald, seltene Habitate wurden zerstört. Der Stausee bewässert mehr als 35.000 ha landwirtschaftliche Flächen. Das Kraftwerk am Ende des Stausees produziert rund 130 Megawatt Strom; das ist nicht üppig.
Die „mouraria“, das maurische Viertel, ist vermutlich die größte erhaltene maurische Wohnsiedlung Portugals. Meist einstöckige, weiß gekalkte Häuser an engen Pflastergassen, zur Straße nur die Tür und allenfalls ein Fenster – maurische Häuser sind nach innen orientiert, zum schattigen Innenhof, zum Brunnen, zum Garten. In Moura stehen allerdings vor den weißen Fassaden Blumentöpfe in allen Größen mit immergrünen und blühenden Pflanzen, hängen Geranien und Petunien an Haken an der Wand.
Höchster Punkt der Stadt ist die Burg, die wir bei einer exklusiven Führung mit drei Personen besichtigen können. Im Castelo sind die Forscher 2003 auf Mauerreste aus verschiedenen Perioden gestoßen: Von der arabischen Mezquita aus dem 12. Jahrhundert über mittelalterliche Reste eines Frauenklosters bis zu Grundmauern von Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Vor dem grandiosen Blick über die Stadt und die Landschaft standen viele Treppen entlang der Mauer und 66 Stufen der Wendeltreppe im Burgturm.
17.6. Das zerbrechlich wirkende Aquädukt thront auf der Stadtmauer von Serpa. Erbaut wurde es allein für den Palast, in dem heute noch eine Gräfin mit ihrem Mann lebt. Ochsen trieben den Ziehbrunnen an, mit dem das Wasser über mehrere Ebenen in die Höhe geschöpft wurde. In der Umgebung spazieren wir durch Gassen mit weiß gekalkten einstöckigen Häusern und auch feudaleren Stadtpalästen. Natürlich hat auch Serpa eine kulinarische Spezialität: junger und gereifter Schafskäse in allen Variationen; wir haben die leckeren Frischkäse-Törtchen probiert.
Am Eingang der Burg klemmt seit 1707 ein riesiges Mauerteil über dem Tor. Es erinnert an den Spanischen Erbfolgekrieg: Beim Rückzug aus Serpa haben die spanischen Soldaten versucht, die Burg zu sprengen. Im großen Innenhof lagern römische Säulen und Kapitelle, Bauarbeiter sind bei der Arbeit. Den ungesicherten Aufstieg auf die Burgmauern haben wir uns gespart; es ist wieder mächtig heiß im iberischen Kontinent.
16.6. Cristovao Colon, wie der Entdecker Amerikas hier genannt wird, ist in Cuba geboren – sagen die Cubenser, und verweisen auf die Wissenschaft. In Wahrheit soll er Salvador Fernandes Zarko sein, der Sohn von Fernando I, dem Duque de Beja. Als Beweis dienen Briefe von Kolumbus, die er mit SFZ unterzeichnet hat. Auch die Namen, die er den entdeckten Inseln gab, sowie die Tatsache, dass er nach seiner Rückkehr aus Amerika zuerst in Lissabon anlegte und König Joao II Bericht erstattete, sprechen für seine alentejanische Herkunft.
Das Alentejo war schon zur Römerzeit die Kornkammer. Ohne Bewässerung allerdings wachsen nur Weizen, Hafer und anderes Getreide. Mit Bewässerung strecken die Sonnenblumen ihre Gesichter zum Licht; riesige Felder erstrecken sich bis zum Horizont. Neu angelegte Olivenplantagen haben alle eine Tröpfchenbewässerungsanlage; einzelne, alte Olivenbäume stehen oft mitten in den Getreidefeldern und kommen wohl noch ohne aus. Wir haben sogar Wassersprenger auf Wiesen gesehen – damit das Heu die Kühe ernähren kann.
14.-16.6. Beja, das Verwaltungszentrum des Alentejo, thront über den weiten Ebenen des Landes. Besiedelt war die Gegend schon vor 5000 Jahren, wie Funde bei den Ausschachtarbeiten für ein neues Haus zeigten. Die Reste aus der Kupfer- und Eisenzeit waren spärlich, aus der römischen Stadt Pax Julia blieben einige Torbogen erhalten. Das ursprünglich römische Kastell haben die Westgoten und Araber erweitert; seine heutige Form stammt aus dem 14. Jahrhundert. Leider wird der 39 m hohe Burgfried gerade renoviert.
Im Convento da Conceicao soll sich eine tragische Liebesgeschichte zwischen einer Nonne und einem französischen Grafen ereignet haben. Nachdem der Söldner heimgekehrt war, schrieb die Nonne (angeblich) Briefe an den Geliebten in der Ferne. Durch die Übersetzung von Rainer Maria Rilke wurden die Liebesbriefe auch bei uns bekannt. 1971 haben Maria Barreno, Maria Horta und Maria da Costa die Geschichten weitergesponnen und als „Neue Portugiesische Briefe“ veröffentlicht – ein Kultbuch der portugiesischen Frauenbewegung.
Wir essen gerne und probieren gerne Neues aus. In Beja haben wir wieder eine solche Gelegenheit. „Doces Conventuais“ heißt die leckere Süßspeise, die nach jahrhundertealten Rezepten gebacken wird: Aus Zucker, Eiern, Kürbis, Mehl, Schokolade, Mandeln, manchmal auch mit Zimt und anderen typischen Weihnachtsgewürzen, entsteht ein sehr kalorienreiches und überaus schmackhaftes Konfekt. Die Klosterfrauen und –männer schützte wohl die körperliche Arbeit vor allzu viel Hüftgold.
Wir sind den ganzen Morgen durch Korkeichenfelder gefahren, darunter wächst Getreide oder Gras, teils schon abgeerntet und zu Ballen gerollt. Ab und zu sehen wir Rinder-, Schaf- oder Ziegenherden unter den Eichen grasen, einmal einen massigen Stier oder Zuchtbullen in der Blüte seiner Jahre. Die schwarzen Schweine, für die das Alentejo berühmt ist, haben wir nicht frei rumlaufen sehen. Einen schmackhaften Teil von ihnen hatten wir dann in Castro Verde auf dem Teller – überaus lecker.
Castro Verde lohnt den Ausflug allein schon wegen seiner königlichen Basilika, die innen vollständig mit weiß-blauen Kacheln ausgekleidet ist. Die Motive der riesigen Bilder sind mehr blutrünstig als christlich-barmherzig: Sie zeigen die Schlacht von Ourique, in der das christliche Heer von Dom Afonso Henrique 1139 die zahlenmäßig weit überlegenen Mauren besiegte. Da rollen Köpfe über die Azulejos … So kunstvoll ausgeschmückt wurde die Kirche erst 600 Jahre nach der Schlacht, im 18. Jahrhundert.
12.-14.6. Vila Nova de Milfontes ist Mitte Juni noch ein beschauliches Städtchen, erst im Sommer steppt hier der Bär. Die breite Mündung des Rio Mira lockt die Schwimmer auf die Sandbänke des bis Odemira schiffbaren Flusses (zumindest bei Flut). Eine attraktive Lage – auch für Piraten. Die Bewohnerinnen und Bewohner wehrten sich gegen die Piratenüberfälle, indem sie aus alten Kleidern, Abfall, Schilf und Holz menschliche Figuren anfertigten. Diese Puppen ließen das winzige Dorf weit bevölkerungsreicher erscheinen – eine erfolgreiche Abschreckung gegen die Piraten. Auch heute stehen die Puppen auf Straßen und Plätzen, im Schaufenster und im Schulhof, ganze Figurengruppen hängen quer über der Straße. Diese nette Puppe aus leergegessenen Chips-Tüten und einer Halskette aus Espresso-Kapseln fanden wir besonders reizend.
Die Markthalle gleich gegenüber unserem Camping hat das übliche, reichhaltige Angebot an frischem Obst und Gemüse, an Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten. Die seltenen Entenmuscheln werden hier an der wilden Steilküste in der starken Brandung geerntet – oft unter Lebensgefahr für die Muschelsammler. An der Atlantikseite, im Fischerhafen von Milfontes, treffen wir eine Muschelsammlerin, die uns Hand-große Muschelhäuser mit Meeresrauschen zeigt – ebenfalls hier gesammelt, und nicht etwa in der Südsee.
Mit einem Denkmal vor dem Castello erinnert Vila Nova de Milfontes an die Leistungen von drei Luftschiffpionieren und die erste Flugreise von Portugal nach Macau: Brito Paes flog als erster Mensch 1924 von Portugal nach Macau. Sarmento de Beires überflog als Erster 1927 den Südatlantik nachts. Manuel Gouveia begleitete als Mechaniker zahlreiche Flüge, unter anderem von Portugal nach Brasilien, vielleicht auch den nach Macau? Das haben wir leider nicht rausgefunden, im Internet werden nur die Kapitäne genannt.