24.6. Die EXPO 1998 hat sich für Lissabon gelohnt: Wo früher Ölverarbeitungsanlagen und ein Industriehafen die Umwelt verschmutzten, ist ein moderner Stadtteil entstanden. Mit hohem Aufwand wurde der belastete Grund beseitigt, das Wasser des Tejo aufbereitet, Gartenlandschaften entlang des Flusses und durchgrünte Wohnquartiere gebaut, Messehallen und Lissabons größtes Einkaufszentrum errichtet. Besuchermagnet ist das Oceanario, das zweitgrößte Ozeanarium der Welt. Die städtischen Leistungen haben internationale Investitionen in Milliardenhöhe nach sich gezogen.
Der Gare do Oriente, der neue Lissaboner Hauptbahnhof gleich neben dem EXPO-Gelände, beeindruckt durch seine filigrane Architektur: Die Gleise sind überspannt von einer fast schwebenden Waben-Konstruktion, gehalten nur durch schmale Pfeiler, die sich oben wie Palmwedel auffalten. Das großartige Gebäude wurde nach den Plänen des spanischen Architekten Santiago Calatrava erbaut. Im Untergeschoss entfaltet sich ein Buchmarkt auf großer Fläche. Gleich nebenan liegen ein zentraler Busbahnhof und die Metro-Station.
Im Azulejo-Nationalmuseum haben wir einiges über die Herstellung Fliesen und Kacheln gelernt. Gezeigt wurden kunstvolle Beispiele vom 15. Jahrhundert bis hin zu zeitgenössischen Werken. Besonders imposant ist das Panorama aus weiß-blauen Azulejos, das Lissabon vor den Zerstörungen durch das Erdbeben 1755 zeigt; stilecht ist es im Dachgeschoss des Klosters Madre de Deus untergebracht. Besichtigen konnten wir auch die Klosterkirche, deren Wände reich mit Fliesen geschmückt sind.
23.6. Der Torre de Belem, ein Verteidigungsturm im manuelinischen Stil, stand früher mitten im Tejo, das Jeronimus-Kloster war ans Ufer gebaut. Doch das Erdbeben hat 1755 den Flusslauf verschoben und Aufschüttungen sorgten dafür, sodass wir den Turm heute trockenen Fußes erreichen. Innen stehen noch Kanonen an jeder Fensteröffnung, das Untergeschoss diente als Lager und Kerker für politische Gefangene. Die enge Wendeltreppe zur Turmspitze ist nur in einer Richtung begehbar; auf jeder Ebene regeln Ampeln den Weg: hoch oder runter oder warten, bis die Letzten ihre Etage erreicht haben.
Das neue Kulturzentrum von Belem war nicht unumstritten: Bei diesem gigantischen Baukomplex aus rosa Marmor wurden die Baukosten um 100 % überschritten (gibt’s auch anderswo!), für manche bleibt es ein hässliches Monstrum. Uns hat vor allem das integrierte Museu Berardo begeistert: moderne Kunst vom Feinsten, didaktisch hervorragend nach Epochen, Stilen, Genres geordnet und präsentiert. Von Pablo Picasso bis Andy Warhol, vom größten Bild Marc Chagalls bis zur Kunst von Wolf Vostell, dessen Werke wir bereits in Malpardida de Caceres bewundert hatten.
22.6. Montags sind die Museen zu, weshalb wir Lissabon mit der Tram erkunden. Zuerst fahren wir durch die Gassen des Bairro Alto hügelauf-hügelab zur Basilika Estrela und dem ruhigen Park gleich nebenan. Wir schlendern durch die Gassen abwärts zum Parlament – mit Ehrengarde vor der Tür. Im Tal wählen wir den Elevador da Gloria für den nächsten Aufstieg, diesmal zum Aussichtspunkt mit traumhaftem Blick über die Stadt und den Tejo. Wir suchen uns einen schattigen Platz im Café und genießen die Aussicht.
Die Tram braust teilweise einspurig durch den ältesten Stadtteil Alfama; er blieb 1755 von den Zerstörungen des Erdbebens weitgehend verschont. Über der Alfama thront das Castelo, das bereits von Römern, Westgoten und Arabern besiedelt war. Darunter schlängeln sich Treppen und schmale Wege entlang der Hausfassaden; fast überall passen Autos durch, manche allerdings nur mit Blechschäden auf beiden Seiten. Da ist es besser, gleich ein motorgetriebenes Tucktuck für zwei oder vier Personen zu nehmen.
21.6. Wir schlendern durch das (sonntags ruhige) Banken- und Geschäftsviertel Baixa und dann die Avenida da Liberdade bergauf. Die breite Prachtstraße mit schattigen Spazierwegen und Wasserspielen auf beiden Seiten wird immer wieder gesperrt, Läuferinnen und Radfahrer kommen uns entgegen – heute Morgen ist ein Sportfest. Die Paläste links und rechts der Liberdade sind schön restauriert, namhaft sind auch die Geschäfte: Von Boss bis Prada, von Cartier bis Porsche Design reihen sich die international bekannten Labels.
Der armenische Ölmilliardär Gulbenkian, der seine letzten Jahre in Lissabon verbrachte, steckte sein Geld in eine Stiftung, die zwei wunderbare Kultureinrichtungen unterhält: Im Museu de Calouste Gulbenkian haben wir Statuen aus Mesopotamien und Ägypten bewundert, Azulejos und Teppiche aus den arabischen Ländern, Porzellan und Seidengewebe aus Ostasien, Gemälde von Rubens und Renoir. Das Centro de Arte Moderna Gulbenkian zeigt die Werke portugiesischer Künstler des 20. Jahrhunderts sowie als Sonderausstellung Bilder von Charrua.