5.-8.7. Die Industriestadt sieht man Aveiro nur in den Außenbezirken und im Bereich des Hafens an. Im alten Stadtkern konnten wir viele schöne Ecken entdecken – von den tollen Jugendstilfassaden über die Fischmarkthalle aus Eisen und Glas bis zu den architektonisch interessanten Wohngebäuden am Kanal, die teilweise noch auf Käufer und Mieter warten. Auch der große Ladenkomplex im Zentrum ist baulich keine Massenware. In den gepflasterten Gassen testen wir die Spezialität von Aveira „Ovos Moles“, eine süße Leckerei aus viel Eigelb und Zucker im Oblatenteig.
Venedig oder Amsterdam (wie manche Reiseführer meinen) ist das zwar nicht, aber die drei Kanäle von Aveiro haben ihren ganz eigenen Reiz. Auf ihnen gleiten schön bemalte Holzboote mit hohem Bug- und Heck-Aufbauten, die auch schon mal von den Gondolieri für die Brückendurchfahrt aus der Verankerung genommen oder abgeklappt werden müssen. Wir schlendern entlang der Wasserlinie, umweht vom salzigen, manchmal brackigem Geruch des Meeres. Die enge Beziehung zur Ria, mit Wattenmeer und Haff, prägt die Stadt.
Zwischen Aveiro und der vorgelagerten Halbinsel entdecken wir bei Ebbe Fischer auf einer Sandbank. Sie arbeiten mit Reusen, schaufeln etwas hinein, graben den Boden um und klauben einzelne Teile aus dem Grund. Die vollen Reusen werden zum Boot geschleppt, das an der Wasserkante liegt. Hier werden die Reusen (und damit auch ihr Inhalt) im Wasser gereinigt, der Sand abgespült; Profis nutzen zusätzlich ein riesiges Sieb zur Reinigung. Nur die Muscheln und Meeresschnecken (Valter meint: Berbigão, Ameijoas, Navalhas marisco) landen scheppernd in den Booten.
Wir campen auf der südlich vorgelagerten Halbinsel im Badeort Barra, mit vielen Hotel- und Apartmenthäusern. Die meisten sind auch Anfang Juli noch nicht bewohnt, die Straßen und Restaurants sind erstaunlich leer, auch an den Stränden gibt es noch viel Platz. Wir radeln nach Costa Nova, einem Ort wie aus dem Bilderbuch: Bunte, zweistöckige Holzhäuser mit weißen Längsstreifen prägen das Bild und erinnern uns an die Sonnenschirme einer Eisdiele. Auch hier führen Bohlenwege über die geschützte Düne zum Strand und die Fischplatten und Marisco-Gerichte munden hervorragend.
5.7. Sonntag in Viseu - in der Kathedrale und der gegenüber liegenden Misericordia-Kirche wird geheiratet; ein Brautpaar wird im roten Oldtimer abgeholt, das andere im himmelblauen VW-Bus –
mobile Träume. Die Kathedrale ist auch innen sehr sehenswert und (neben der in Evora und der alten Sé in Coimbra) eine der schönsten in Portugal. Besonders beeindruckt hat uns das Deckengewölbe,
bei dem die Rippen der romanischen Säulen zu manuelinischen Knoten gedreht werden.
Die Stadt, mit ihren schattigen Plätzen und Azulejowänden, mit beschirmten Cafés und Kunst in den Gassen, mit mächtigen Herrschaftspalästen und zierlichen Jugendstilfassaden, mit flanierenden Menschen in der weitgehend autofreien Altstadt, hat uns sehr gefallen. Auf mehreren Plätzen waren Bühnen für die abendlichen Konzerte aufgebaut. Auf diesem Platz steht eine Großleinwand, vielleicht für ein Open Air-Kino in Viseu?
5.7. Serpentinen reihen sich an Serpentinen, enge Kehren und steile Aufstiege sind zu meistern. Wir besuchen Monteigas, einen Ort im Herzen der Serra da Estrela – und tief unten im Tal. Ein richtiges Dorfzentrum haben wir nicht gefunden, lediglich zwei Kirchen, eine Tankstelle und einen sonntags geöffneten Supermarkt, in dem wir leckeren Ziegenkäse und ein Roggenbrot der Serra kaufen. Dann geht es wieder rauf auf die karge Hochebene mit den tonnenschweren Granitblöcken, die in der Gegend liegen und teilweise für den Hausbau genutzt werden.
4.7. Guarda ist die höchst gelegene Stadt Portugals. Auf dem 1060 m hohen Granitberg ist nur noch der Burgfried des einst mächtigen Castelo erhalten. Der Blick von hier aus allerdings ist grandios und geht in alle Himmelsrichtungen. Rund um den Hügel entfaltet sich die Altstadt mit der Kathedrale, schönen Plätzen und alten Palästen. Im ehemaligen Judenviertel stehen noch viele mittelalterliche Häuser und manche Ruinen. Moderne Wohnblocksiedlungen bilden den äußeren Ring um die prosperierende Stadt.
Leicht zu finden war er nicht, wir mussten die Sé erst zweimal umrunden: Der „Cú da Guarda“ schmiegt sich in luftiger Höhe an die Ostwand der Kathedrale. Das weit aufgerissene Hinterteil zeigt nach Spanien – ein Indiz dafür, dass das portugiesisch-kastilische Verhältnis während der Regentschaft von König Joaos I., der 1390 den Auftrag zum Bau der Kathedrale gab, nicht das allerbeste war.
Wir starten unsere Reise in Gouveia, wo wir die schöne Azulejos-verzierten Matriz-Kirche bewundern. Linhares ist eines der historischen Dörfer, die fast noch so wie im 16. Jahrhundert erhalten sind – dunkle Granitgebäude an schmalen Gassen, vom Castelo mit den beiden Türmen hat man einen weiten Blick ins Land. Wir schrauben uns weiter in die Höhe, durchfahren Dörfer mit gut erhaltenen und auch renovierungsbedürftigen Granithäusern, mit alten Menschen in den Gassen; die Jungen sind wohl in die Städte gezogen.
Bisher hatten wir in Portugal weit überwiegend gute Straßen. Auf der Nordseite der Serra da Estrela befahren wir zum ersten Mal einspurige Wege mit Waschbrett-Asphalt – das hatten wir so noch nie. Die Straße verläuft munter bergauf und bergab und ist meist im zweiten Gang zu fahren; nur ein kurzes Stück war so steil, dass Bruno in den ersten Gang zurückschalten musste. Während der einige Stunden dauernden Fahrt kam uns kein einziges Auto entgegen; warum sollte man die Straße ausbauen?
3.7. Die Berge in der Serra da Estrela erreichen Höhen bis 2000 Meter. Entsprechend erholsam ist das Klima: Während wir in Tomar noch bei über 40° C heftig geschwitzt haben, spazieren wir in Nabainhos bei angenehmen Temperaturen unter 30° C durch die Gegend. Hier, am Rand des Mittelgebirges, ist das Land sehr fruchtbar. Neben unserem Camping sprudelt eine Quelle und der Blick durchs Heckfenster trifft auf (leider noch nicht reife) Weintrauben.
1.7. Auf dem höchsten Punkt Coimbras thront nicht die Kathedrale, sondern die Universität. Der weithin sichtbare Uhrturm wurde von den StudentInnen „a capra“ – die Ziege genannt. Die Glocke läutete pünktlich zum Vorlesungsbeginn, und dies empfanden die verschlafenen Studies wohl wie das Meckern einer Ziege. Heute stehen Touristengruppen im großen Hof und warten auf die Führung durch die Uni-Säle und die barocke Bibliothek; die rund 35.000 Studierenden haben wohl Semesterferien?
Rund um den Universitätshügel durchstreifen wir ein Gewirr von steilen Gassen, Treppenwegen und schmalen Einbahnstraßen. Auch hier überwiegen die Touristen. Kathedralen hat Coimbra gleich zwei: Die sehr schöne alte Sé aus dem 12. Jahrhundert wirkt wuchtig und wehrhaft, die neue Sé steht im Uni-Bereich und ist barock ausgeschmückt. Leider haben wir einen Regentag erwischt, sodass wir die schönen Gärten und Parks auslassen und zu unserem freien Stellplatz am Mondego-Ufer zurückkehren.
30.6. Tomar bereitet sich auf die Festa dos Tabuleiros vor. Vom 4.-13. Juli gehen die Festumzüge in diesem Jahr – leider zu spät für uns. Wir dürfen aber schon mal den Übungsläufen der Frauen und Mädchen zuschauen, die einen Blumengesteck-Korb auf dem Kopf balancieren, der genauso hoch ist wie sie selbst. Zu den Festumzügen sind zwischen die Blumengirlanden noch Reihen mit Brötchen gesteckt. Für die Blumen werde eigens Papier aus Deutschland importiert, wie uns Fernando erklärt.
Um diese ungleich schwerere Last zu simulieren, haben die Frauen Steine in die Körbe gefüllt und trainieren Abend für Abend ihre Nackenmuskulatur beim Gang durch die Gassen. Die Prozessionen nehmen täglich einen anderen Verlauf. Die Mädchen ab 6 Jahren beispielsweise brauchen für ihre Runde 45 bis 60 Minuten, die erwachsenen Frauen tragen ihren Kopfschmuck bis zu vier Stunden durch Tomar.
Mehr als 100 m über dem Tejo erhebt sich Santarem. Unser Busle hat schwer geschnauft und im zweiten Gang den Hügel erklommen. Oben angekommen hat uns vor allem die Markthalle begeistert: Innen zeigt sie eine einfache Eisenkonstruktion auf Eiffels Zeiten, außen aber ist sie rundum geschmückt mit blau-weißen Azulejos, die Szenen aus dem ländlichen Leben der 1930er-Jahre zeigen, außerdem Jagd- und Fischereimotive sowie die Sehenswürdigkeiten der Region.
Gleich nebenan steht die Militärreitschule, der das demokratische Portugal viel zu verdanken hat. Von hier aus sind am 25. April 1974 die aufständischen Truppen nach Lissabon gezogen. Ihrem Befehlshaber Salgueiro Maia ist es entscheidend zu verdanken, dass die „Nelkenrevolution“ nur wenige Todesopfer zu beklagen hatte. Nur mit einem Megafon in der Hand hat er die regierungstreuen Truppen davon überzeugen können, dass ihre Sache verloren ist.
In der Igreja da Graca kommt die portugiesische Gotik besonders schön zum Ausdruck. Sie wurde 1380 bis 1420 im Basilika-Stil erbaut, das heißt mit einem erhöhten Mittelschiff und niedrigeren Seitenschiffen. Etwas ungewöhnlich ist der Zugang: In der Kirche geht es erstmal nicht wenige Treppen nach unten, bevor wir auf der Ebene der Bänke sind. Rund um das Kirchenschiff reihen sich einige Grabmale, darunter das von Pedro Alvares Cabral, dem Entdecker Brasiliens.
29.6. Obidos wird gerne mit Rothenburg ob der Tauber verglichen – weit gefehlt, hier ist die pure Idylle: Fest umschlossen von einer begehbaren Stadtmauer (ohne Geländer) drängen sich weiße, blumengeschmückte Häuser an den Berghang, erschlossen durch enge Gassen und Treppenwege. Touristisch ist vor allem eine Straße, und hier drängen sich überwiegend Franzosen, wenige Deutsche und eine beachtliche Zahl Asiaten. Zu kaufen gibt es Keramik und Korkwaren, Bio-Gemüse und antiquarische Bücher, bestickte Tischdecken und Blusen – aber leider wieder keine feinen Tüchlein für junge Damen.
Feilgeboten wird noch eine andere Spezialität: Ginha do Obidos, ein Likör aus Sauerkirschen, Weinbrand und Honig, stilvoll serviert in einem Tässchen aus dunkler Schokolade. Das Getränk hat 20 % Alkohol und wird nach einem alten Rezept der Alcobaca-Mönche zubereitet. Die Süße des Likörs und der herbe Schoko-Geschmack harmonieren aufs feinste. Soweit wir gesehen haben, wird Ginha nur an Frauen verkauft.
28.6. Der Sardinen-Geruch hängt längst nicht mehr so deutlich über Peniche. Das Fischerstädtchen hat zwar immer noch eine bedeutende Fangflotte im Hafen, verarbeitet werden die Fische aber nur noch in zwei Konservenfabriken. Während früher die Männer zum Fischfang oder zu Entdeckungsfahrten nach Afrika, Amerika und Indien aufbrachen, saßen ihre Frauen nicht untätig zuhause: Sie schufen mit Klöppeln feinste Spitzen, die reißenden Absatz bei den edlen Damen in ganz Europa fanden. In der Touristeninformation demonstriert eine Dame diese alte Handwerkskunst.
Auch die Halbinsel Peniche hat eine Spitze: Der Leuchtturm am Cabo Corveiro erhebt sich am Westrand über der Steilküste; an den Klippen und Felsen davor brechen sich die Wellen des Atlantiks. Eine mächtige Felsnase steht schräg auf dem vorgelagerten Plateau inmitten der tosenden, gischtenden See. Auch am Festland ist die Kraft des Wassers zu sehen: Das Granitgestein ist mit runden Vertiefungen ausgewaschen – das Meer stand hier früher mal höher (oder das Land lag tiefer), erdgeschichtlich betrachtet.
27.6. Wir bleiben an der Westküste. Ericeira ist vor allem für seine Strände bekannt – steile Felsenküste mit kleinen Sandbuchten dazwischen, mehr als zehn insgesamt. Gefahrlos baden kann man nur an wenigen, aber die Wellenreiter freuen sich über die High-Wind-Area. Die Praia da Ribeira d’Ilhas, etwas nördlich vom Campingplatz, zählt zu den besten Surfstränden der Welt und lockt die Könner auf den Brettern nach Ericeira. Ein familienfreundlicher Badestrand liegt direkt unter dem Stadtzentrum am Hafen.
Im Hafen von Ericeira liegen keine Boote im Wasser. Weite Teile der Hafenbucht dienen als familienfreundliches, windgeschütztes Schwimmbecken. Nur in einem schmalen Bereich können die Fischerboote und Ausflugsschiffe einfahren – und werden dann per Kran auf eine Karre verfrachtet und mit Traktor oder Jeep auf dem betonierten Trockendock abgestellt. Dort lagern auch Netze und Tontöpfe, Reusen und Markierungsstangen, gleich neben den gesalzenen Fischen, die auf der Leine zum Trocknen angeklammert sind.
25.6. Wir sind am Cabo de Roca, dem westlichsten Punkt des europäischen Festlands. Ab hier geht es (evtl. über ein paar Inseln) direkt zu den Amerikas. Oben am Kap pfeift der Wind um den Leuchtturm, 140 m tiefer branden die Wellen gegen die Felsen. Ein paar Brocken sind schon abgebrochen und lagern als Inseln vor der Steilküste. In der Touristeninformation kann man sich durch eine Urkunde bestätigen lassen, dass man hier war; wir haben’s per Foto dokumentiert.