Miranda do Douro ist umschlossen von einer teilweise begehbaren Stadtmauer und hat einen wunderschönen mittelalterlichen Stadtkern mit Kopfstein-gepflasterten Gassen, alten Steinhäusern, weiß gekalkten Bürgerpalästen mit heraldischen Wappen sowie mehreren Kirchen. Hinter der mächtigen Kathedrale stehen nur noch die Ruinen des Bischofspalastes, der kaum 100 Jahre nach seinem Bau in Flammen aufging; auch der Bischof hat 1706 die Stadt verlassen. Gleich daneben erstreckt sich ein schattiger Garten, der zum Verweilen einlädt.
In der Sé haben wir einen Holzschrank mit einem merkwürdigen Männlein und viel Puppen-Kleidung entdeckt – von Strümpfen und gebügelten Hemden über Festtagsgewänder und Uniformen bis zu Zylinderhut und Melone.
Die Legende sagt, dass während einer langen Belagerung Mirandas plötzlich ein fescher Jüngling auftauchte und Bauern und Bürger zu den Waffen rief. Mit Äxten, Sensen und Hirtenstäben bewaffnet, gelang es, die Spanier in die Flucht zu schlagen. Für die frommen Portugiesen stand fest: Nur das „Jesuskind“ persönlich hatte sie zum Sieg geführt. So bauten sie den Altar des „Jesus da Cartolinha“ – Jesus mit schillernder Festkleidung, Schwert und Melone.
Der grandiose Blick war den Umweg wert: Der Douro / Duero hat hier eine tiefe Schlucht in die Felsen geschnitten; das Felsplateau, das sich von rechts ins Bild schiebt, gehört bereits zu Spanien. Im Tal erstreckt sich ein Stausee; die Mitte der Staumauer bildet wohl die Grenze zwischen Portugal und Spanien. So genau können wir das nicht sagen, denn Grenzschilder fehlen im vereinten Europa. Lediglich an den Fahrbahnrändern markieren beide Staaten die jeweiligen Geschwindigkeitsbeschränkungen im Land. Adeus Portugal.
Bei der Parkplatzsuche sind wir in einem Areal mit vielen Stellplätzen gelandet, das an drei Ausfahrten blockiert ist; am Straßenrand sind Reifenstapel angehäuft. Wir schlendern in die Innenstadt, vorbei am schönen Platz an der alten Sé mit Marktständen und durch die Schiefer-gepflasterten Gassen. Viele Geschäfte sind verrammelt, viele Häuser warten auf die Renovierung oder stehen zum Verkauf – Grenzland. Wieder zurück am Womo, sind wir in bester Aussichtslage für das Motorradrennen, das um 16 Uhr gestartet wurde. Wir wissen nicht, wie der Sieger heißt, aber spannend waren seine Überrundungen und das Überholen des lange Zeit Führenden allemal.
Auf dem Burgberg von Braganca steht eines der ältesten Rathäuser Portugals. Der Domus Municipalis wurde vermutlich Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet. Der fünfeckige Grundriss ergibt sich aus dem Überbauen der Zisterne, in der das Regenwasser gesammelt wurde. Die Halle ist von einer romanischen Fensterreihe mit nettem Skulpturenfries umgeben; innen läuft eine steinerne Sitzbank an den Mauern entlang – der ideale Versammlungsplatz für die einflussreichen Männer des Ortes. Unterhalb der Burgmauern hat die Stadt einen kostenlosen Womo-Stellplatz mit Ver- und Entsorgung eingerichtet, den wir gerne nutzen.
Der Bischof von Braganca hat 1994 den Grundstein für eine neue, riesige Kathedrale auf einem der Hügel gelegt, die 2001 eingeweiht wurde. Dass die ursprünglich kalkulierten Baukosten nicht eingehalten wurden – geschenkt. Dass das Gotteshaus sehr groß dimensioniert wurde, dass die Außenanlagen mit überdachtem Seitenzugang und mächtigem Treppenaufgang samt Wasserspiel allzu protzig wirken, dass die Kirche in ihrem Innern kahl und leblos daherkommt – geschenkt. Aber wozu braucht man einen neuen Prachtbau, wenn bereits eine wunderschöne, alte Sé im Ort steht?
16.-18.7. Nach dem Dourotal mit seinen imposanten Weinhängen führt uns der Weg nun nach Norden in die karge Landschaft Tras-os-Montes – „hinter den Bergen“. Wir machen Station in Vila Real, das vor allem durch das Weingut Mateus bekannt ist, und in Chaves, einem Thermalbade-Städtchen, das bereits bei den Römern strategische Bedeutung erlangte. Dann geht’s nach Westen, auf kurvenreicher Strecke durchs Mittelgebirge, mit herrlichen Blicken rundum ins weite Land, am Weg viel Wald, auch verkohlte Bäume und Büsche, wenig Landwirtschaft (Weizen, Wein, Oliven).
Boticas ist bekannt für seinen „Wein der Toten“. Als französische Truppen Anfang des 18. Jahrhunderts das Land überfallen hatten, haben die Winzer ihren Wein vergraben, um ihn nicht an die marodierenden Soldaten zu verlieren. Als sie die Flaschen viele Jahre später wieder ausbuddelten, stellten sie verblüfft fest, dass der Wein besser schmeckte als zuvor. Auch heute wird ein Teil des Weines aus Boticas nicht im Keller ausgebaut, sondern in der vergrabenen Flasche. Man soll die sehr spezielle Spezialität kaufen können – wir haben sie nicht getestet.
Fernao de Magalhaes, genannt Magellan, wurde 1480 in Sabrosa geboren. Das Denkmal für den Weltumsegler vor dem Rathaus fanden wir ganz witzig: Ein Mann mit kleinem Boot sitzt sinnierend inmitten von Granitfelsen im Wasser, umgeben von weißen Steinbäumen (oder sind das Schiffsmasten?). Magellan sollte einen westlichen Seeweg nach Indien erkunden - und fand die 600 km lange Passage zwischen dem südamerikanischen Festland und der Insel Feuerland (= Magellan-Straße) als Verbindung zwischen dem Atlantik und dem Pazifik – und ganz nebenbei die Zeitverschiebung um einen Tag.
Im Tal windet sich der Douro, oben sind Terrassen über Terrassen an den steilen Schieferhängen geebnet, eng bestanden mit Weinstöcken. Auch heute noch wird mit der Hand geerntet – eine Arbeit der Frauen. Bis zum Traktor transportiert werden die Trauben mit der Kiepe auf dem Rücken – eine Arbeit der Männer. Ansonsten hat auch hier die Technik Einzug gehalten: Gepresst werden die Weintrauben nicht mehr mit den Füßen, sondern maschinell. Gelagert werden sie zunächst im Stahlfass, bevor es im Frühjahr per Tanklastwagen auf die Reise nach Gaia geht, wo der weitere Ausbau stattfindet.
1756 gründete der portugiesische Premierminister Marques de Pombal in Peso da Regua die „Allgemeine Weinkompanie des Oberen Dourotals“ und ließ die besten Weinlagen mit Markierungssteinen aus Granit abstecken. Damit wurde weltweit zum ersten Mal ein abgegrenztes Weinbaugebiet nach Qualitätsmerkmalen festgelegt – bereits 99 Jahre vor der ersten Klassifizierung der Grand-Cru-Weine im Bordeaux-Gebiet. Das „Instituto do Vinho do Porto“ überwacht noch heute die Einhaltung der Regeln und vergibt bzw. entzieht die Lizenz zur Portweinherstellung.
Die besten Anbaugebiete für die Portweintrauben liegen um Pinhao. Ab hier wird auch der Douro wieder enger, der hintere Rand des Stausees ist erreicht. Als der Fluss früher noch ungeregelt zum Atlantik floss, hatte man nicht nur am Unterlauf regelmäßig mit Hochwasser zu kämpfen, auch der Transport der Fässer mit dem Schiff war durch Untiefen und Stromschnellen nicht ungefährlich. So manches Fass ging während der dreitägigen Reise über Bord (oder wurde unterwegs getrunken?). Am Bahnhof in Pinhao zeigen wunderschöne Azulejos Szenen rund um den Weinbau; gemalt wurden sie in Aveiro.
Gerne wären wir dem Douro weiter flussauf gefolgt, doch leider gibt es ab hier keine Straße mehr entlang des Flusses, nur Bahngleise. Wir fahren durch Seitentäler des Douro Richtung Norden. Auch hier winden sich die Weinreben die Hänge bis zu den Bergspitzen hinauf. Teilweise sind die Lagen so steil, dass nur zwei Reihen auf eine Terrasse passen – was für eine ungeheure Plackerei. Das Klima scheint hier der Sonne ein Schnippchen zu schlagen: Weinberge wachsen auf 360 Grad rundum, auch an Nordhängen; Wasser und reichlich warme Füße im Schieferbett reichen den Reben wohl aus.
14.7. Amarante blühte auf im 13.Jahrhundert, nachdem der Dominikanermönch Goncalo gemeinsam mit den BewohnerInnen eine neue Brücke gebaut hatte. Die nun leichtere Überquerung des Tamega machte den Ort zu einer wichtigen Zwischenstation auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Beeindruckend ist das Convento de Sao Gonsalo mit seinem Renaissance-Portal und der barocken Königsloggia gleich hinter der dreibogigen Granitbrücke. Wer hat Brunos Fahrrad entdeckt?
Beeindruckend sind auch die kulinarischen Genüsse. In der düsteren Tasca baumeln ganze Schinken und Lorbeerblätterbüschel von der Decke, daneben hängen frisch geräucherte Würste in Bündeln an der Wand, und über allem hängt der Duft von Rauchwaren und Kräutern: Die Adega Regional Kilowatt in Amarante ist nichts für Veganer und Vegetarierinnen. Der junge Rotwein wird frisch aus dem Fass gezapft und harmoniert ganz hervorragend mit den kleinen und großen Tapas-Tellern.
Zwei Dinge haben wir bei der Führung durch die Portweinkellerei Cálem gelernt: Erstens ist Portwein kein Wein und zweitens stammt er nicht aus Porto. Die Reben für den „Portwein“ wachsen 70 – 120 km weiter östlich am Douro. Ausgebaut werden sie in den Kellereien in Vila Nova de Gaia. Das war schon immer so. Weil aber Gaia ein völlig unbekanntes Dorf war, und am gegenüberliegenden Douro-Ufer die Stadt Porto bereits überregional bekannt, haben die Kellermeister ihrem Erzeugnis den Namen „Porto“ gegeben – effektives Marketing im 18. Jahrhundert.
Mit solch kleinen Booten wurden die Weinfässer noch bis in die 1960er Jahre von den Anbaugebieten nahe der spanischen Grenze nach Vila Nova de Gaia gebracht; heute übernehmen Tanklastwagen den Transport. Portwein reift mindestens drei Jahre, bevor er auf den Markt kommt: „Ruby“ lagert im riesigen Holzfass, das den Wein kaum oxydieren lässt, und behält so seine rote Farbe und den blumig-süßen Geschmack. „Tawny“ erhält seine dunkle Farbe durch die höhere Oxidation in kleinen Eichenfässern; hochwertige Tawny reifen 10, 20, 30 oder 40 Jahre im Fass. Der Jahrgangs-Port „Vintage“ reift in der Flasche weiter und muss nach Öffnung schnell getrunken werden.
Im Mündungsgebiet des Douro in den Atlantik liegt Porto am rechten, sonnenbeschienenen Ufer und Vila Nova de Gaia auf der linken, schattigen Seite. Beide Ufer verbinden sechs Brücken und eine kleine Fähre. Die mächtige, zweistöckige Eisenbrücke hat ein Schüler von Gustav Eiffel entworfen: unten fahren Autos und Busse, oben ist die Metro unterwegs; auf beiden Ebenen können Fußgänger und Radlerinnen die andere Flussseite erreichen. Weiter hinten im Tal gibt es auch eine Brücke von Gustav Eiffel, eine eiserne Bogenbrücke für die Eisenbahn.
Eisenbahnfans müssen sich den Bahnhof Sao Bento anschauen – natürlich mit Kopf. Die Bahnhofsvorhalle ist völlig mit Azulejos ausgeschmückt. In drei Friesen übereinander erzählen die Kacheln unterschiedliche Geschichten: Unten überwiegen höfische Eleganz und historisches Schlachtengetümmel, wie etwa bei der Eroberung von Ceuta. In der Mitte zeigen die Bilder das Leben auf dem Lande, etwa bei einem Fest oder bei der Weinlese. Im oberen Fries ist die Geschichte des Transportwesens auf Fliesen gemalt – von der Sänfte über Karren und Kutschen bis zur Eisenbahn.
Am Liberdade-Platz kreisen die Sightseeing- Busse mit Blick auf die Bankenpaläste und das Rathaus. Wir haben den Yellow-Bus gewählt und zwei schöne Touren durch Porto und Gaia erlebt, immer mit der Möglichkeit, beliebig ein- und auszusteigen. Apropos Busse: Wir fahren jeden Tag 50 Min. in die Stadt, teils durch enge, verwinkelte Kopfsteinpflastergassen. An zwei Stellen ist bis zur Wand nur jeweils 5-6 cm Platz. Arbeiter, die ein Haus anstreichen, müssen die Leiter abbauen und ihren Farbeimer mitnehmen, sich selbst in einen Hauseingang drücken. Dank der großartigen BusfahrerInnen sind wir ungestreift durchgekommen.
Die Serralves-Stiftung hat der Öffentlichkeit eine grüne Oase mitten in der Großstadt zugänglich gemacht. In der riesigen Parkanlage konnten wir an außergewöhnlichen Skulpturen vorbeischlendern, Kräuter- und Gemüsegärten anschauen, an einem idyllischen See verweilen – und eine riesige Jugendstil-Villa bestaunen. Unser Ziel war auch das Museum für zeitgenössische Kunst, das in einem spektakulären, weißen Gebäude Werke internationaler Künstler präsentiert. Die grafischen Arbeiten an der Wand hat der deutsche Künstler Thomas Bayrle geschaffen.
Porto unterhält den zweitgrößten Hafen Portugals. Umgeschlagen werden hier 22 % aller Güter des Landes. Für Nordportugal ist der Hafen ein großer Arbeitgeber; 20 % der Menschen aus der Region arbeiten hier. Wir kamen her zum Essen, denn gleich nebenan ist die größte Dichte an Fischrestaurants. In den Gassen rauchen die Holzkohle-Grills; Goldbrasse, Wolfsbarsch und vor allem Sardinen warten auf Genießer, die im Plastikplanen-Verschlag gegen Wind und Sonne geschützt essen. Wir bevorzugen hier den klimatisierten Innenraum eines Meeresfrüchte-Restaurants.
Wobei wir diesmal kein Glück hatten: Serviert wurden alte, trockene Gambas ohne Zitrone, ohne Majonäse (von Ajoli können wir eh nur träumen), gefolgt von einer Fischsuppe, die wohl eher Gemüsesuppe war, geschmacklich angereichert mit einer Überdosis Portwein, garniert mit ½ kleingeschnittenen Gamba und 3 gerösteten Brotwürfelchen; die gegrillte Dourada/ Goldbrasse und der Robalo/ Wolfsbarsch als Hauptspeise waren lecker.