7.12.15. Ruhiger Flug und fixe Einreise: Unsere (sehr enge) Boeing 777 startet kurz vor 20.00 Uhr in Frankfurt; von 5.00 bis 8.00 Uhr Ortszeit (= -3 Std.) haben wir Aufenthalt in Sao Paulo; dann geht’s in weiteren drei Stunden nach Buenos Aires (= -1 Std.). Zoll und Einreiseformalitäten waren schnell erledigt: Nummern-Leitsystem zur Passkontrolle, Foto, Daumenabdruck, Einreisevisum gestempelt, ratz-fatz fertig. Für die vorher ausgefüllte Einreisedeklaration hat sich niemand interessiert.
8.12. Die bunte Wellblechlandschaft versprüht einen ganz eigenen Charme. In den Häusern von La Boca haben immer noch einzelne Handwerker ihr Domizil, wohnen Familien um die verschachtelten Innenhöfe. Zahlreich sind auch die Bars, Cafés und Souvenirläden, die Künstler und Straßenhändler, die um die Aufmerksamkeit der Touristen werben. Überall ertönt Musik, vorwiegend natürlich Tangomelodien vom Bandoneon (auch aus der Konserve).
Diego Maradona ist hier groß geworden und hat immer noch eine Ehrenloge in der Bonbonera, der Pralinenschachtel, wie das Fußballstadion der Boca Juniors genannt wird. Atemberaubend steil wachsen die Tribünen in den Himmel. Dank der guten Akustik muss der Lärm von Tröten und Trommeln wohl ohrenbetäubend sein, wenn sich die Teams von Boca Juniors und River Plate zum Lokalderby treffen. In der Meisterschaftsstatistik der Primera Division, der höchsten argentinischen Fußballliga, führt River (36 Siege) vor Boca (31 Siege).
An der Plaza de Majo (Maiplatz oder Platz der Mairevolution) wurde Buenos Aires gegründet. Benannt ist der Platz nach dem Befreiungsmonat Mai 1810, als Argentinien von Spanien unabhängig wurde. Der ehemalige Regierungssitz (Cabildo) stammt noch aus der Kolonialzeit; er wurde 1725 an der Westseite des Platzes errichtet. Rund um den Platz sind auch das Rathaus, die Nationalbank und andere Regierungsgebäude sowie der Präsidentenpalast und die Kathedrale mit dem Mausoleum des General San Martin aufgereiht.
Die Casa Rosada, das rosafarbene Haus an der gegenüberliegenden Platzseite, ist der Regierungssitz des argentinischen Präsidenten. Der Palast wurde mehrere Male umgebaut, weshalb er sich heute asymmetrisch präsentiert; er dient vorwiegend repräsentativen Zwecken. Cristina Fernández de Kirchner hat ihre Sachen hier vermutlich schon gepackt. Sie wurde 2007 zur Präsidentin Argentiniens gewählt und 2011 im Amt bestätigt. Nach zwei Regierungsperioden konnte sie für die aktuelle Wahl nicht mehr kandidieren.
Das weiße Kopftuch steht für die Trauer der Mütter um ihre verschwundenen Kinder und ihren Kampf um Gerechtigkeit. Seit 30. April 1977 umrundeten die Madres de Plaza de Majo jeden Donnerstag eine halbe Stunde lang stumm den Platz, weil Demonstrationen und Proteste im Stehen von der Militärjunta verboten waren. Sie protestierten gegen das massenhafte Verschwindenlassen ihrer Männer, Kinder und Enkel, sie forderten Aufklärung der Taten und Bestrafung der Schuldigen. Auch Azucena Villaflor de Vicenti, die erste Anführerin der Madres „verschwand“ und wurde ermordet - vermutlich über dem Meer aus dem Flugzeug gestoßen.
Die Avenida 9 de Julio ist allein schon ein Superlativ - 144 m misst die breiteste Straße der Welt: Die inneren Spuren sind für den öffentlichen Nahverkehr reserviert, dann folgen zu beiden Seiten Grünzonen, dann jeweils 4-6 Fahrspuren, dann wieder Grünstreifen und wieder jeweils 2-3 Spuren für den Anliegerverkehr; dann erst kommen die Fußgängerwege. An der Prachtallee stehen einige Gründerzeithäuser, gebaut im französischen Stil, sowie Theater- und Opernhäuser.
Abends treffen sich die Sportangler am riesig-breiten Rio de la Plata - dem Silberfluss, der die spanischen Eroberer nicht zu den erwarteten Reichtümern führte. Der Mündungstrichter der Ströme Paraná und Uruguay ist 290 km lang und bis zu 220 km breit. An ihm liegt die argentinische Hauptstadt Buenos Aires (Ballungsraum rund 12 Mio. EinwohnerInnen) und gegenüber die uruguayische Hauptstadt Montevideo (Ballungsraum etwa 2 Mio. EinwohnerInnen).
Weihnachten an der Plaza San Martin. Die Weihnachtsdekos in der Hauptstadt sind eher dezent, wie etwa der durch Licht-Seile angedeutete Tannenbaum neben dem Torre de los Ingleses. Der 75 m hohe Uhrturm ist ein Geschenk der Briten aus Anlass des 100-jährigen Unabhängigkeit Argentiniens 1910. Nach dem verlorenen Falklandkrieg wurde er umbenannt in Torre monumental. Ab und zu müssen hier anti-britische Graffitis übermalt werden.
Ein wahrhaft riesiger und Jahrhunderte alter Gummibaum wölbt sich über den Platz im Stadtteil Recoleta. In diesem Nobel-Stadtteil residieren die Reichen und Schönen – und einige Botschaften in prächtigen Palästen. Der Friedhof La Recoleta gilt als der schönste im Land: In rund 7000 Mausoleen, gestaltet von namhaften Künstlern, liegen Angehörigen reicher Familien. Allein drei Staatspräsidenten sind hier bestattet, eben weil sie aus alteingesessenen, begüterten Familien stammten. Auch Evita Peron hat hier ihre letzte Ruhestätte gefunden im Mausoleum ihrer Familie Duarte.
Von unserer Stadtführerin Christina (mit deutsch-schweizerischen Wurzeln) haben wir erfahren, dass ein Auto für ArgentinierInnen nicht zu den Statussymbolen zählt – wohl aber Bildung. Deshalb hat sie ihre Kinder auf die (kostenpflichtige) deutsche Schule geschickt, die einen sehr guten Ruf hat und zudem deutsche Sprache und Kultur vermittelt. An den Universitäten des Landes ist das Studium kostenlos. Ein ausländischer Ex-Student hat als Dank für seine hervorragende Ausbildung dieses Kunstwerk gestiftet, das sich nach der Sonne ausrichtet und nachts die silbernen Blütenblätter schließt: Floralis Generica von Eduardo Catalano.
Nachmittags sehen wir zum ersten Mal unser rollendes Hotel. Es ist bei der Sociedad Alemana Gimnasia de Villa Ballester, einem deutschen Sportverein geparkt, dessen Sanitäreinrichtungen wir nutzen. Von der Sporthallenwand grüßt der Adler mit einem „Herzlich Willkommen“. Von unserer Stadtführerin Christina haben wir erfahren, dass alle Einwanderergruppen – ob aus England oder Frankreich, aus Italien oder Deutschland – erst mal ihre eigene Kirche bauten, eigene Schulen und Krankenhäuser errichteten und eben eigene Sportvereine gründeten. Wir verbringen eine ruhige Nacht in der ausreichend großen Rotel-Kabine.