20.12. Nach kurzer Busfahrt erreichen wir die chilenische Grenzstation um 13.10 Uhr. Die Passkontrolle geht schnell. Der Bettentrakt wird geöffnet und mit einem Spürhund sowie per Hand von den Zöllnern geprüft, ebenso wie unser Handgepäck im Bus. Die „Gemüsedeklaration“ haben wir bereits vorher ausgefüllt: Nach Chile dürfen kein frisches Obst und Gemüse, keine Fleisch- und Milchprodukte eingeführt werden – zum Schutz der heimischen Landwirtschaft und vor allem zum Schutz vor der Fruchtfliege. Um 13.45 Uhr sind wir in Cerro Castillo, 12. Region (= Magellanes) in Chile.
21.12. Vor uns erhebt sich das Paine-Massiv: links der Cerro Paine Grande (3012 m, mit Gletscher), daneben die Cuernos del Paine (gut 2500 m), dann der Cerro Paine Chico (2668 m) und rechts die Torres del Paine (2250 – 2800 m) – also rund 500 – 1000 m niedriger als die Spitzen des Fitz Roy in Argentinien. Davor liegt der Lago Sarmiento, ein selten blauer See ohne Abfluss; die meisten anderen Seen im Paine-Gebiet sind eher milchig-trüb und in verschiedenen grünlichen und türkisfarbenen Tönen.
Unser Blick vom Camping Pehoe ist wirklich sehenswert: Die Cuernos (= Hörner) des Paine-Gebirges und der Lago Pehoe strahlen in der Sonne. Auf dem Platz gibt es viele Unterstände (wir nutzen sie zum sitzen, Camper stellen hier ihr Zelt auf) mit gemauerten Grillstellen und Tischgruppen, die Sanitärhäuser sind super; einziges Manko: es gibt keinen Strom (und keinen Alkohol, wir sind im Nationalpark). Überall laufen und flattern fast zahme Kara-Karas rum; sie sind wohl angefüttert?
In Nationalpark Torres del Paine wurde in den vergangenen Jahren viel Wald zerstört – aus Unachtsamkeit, von Touristen. Das jüngste Feuer zum Jahreswechsel 2011/2012 hat innerhalb weniger Tage 17.000 ha Wald und Steppenvegetation zerstört. Gelöscht werden können die Brände hier kaum. Wegen der starken, böigen Winde ist der Einsatz von Löschflugzeugen nicht möglich; der patagonische Wind facht das Feuer zudem immer wieder an. Während die Steppengräser bald wieder austreiben, dauert es wohl Jahrhunderte, bis sich der Wald erholt hat.
Eine zweite Wanderung im Paine-Gebiet führt uns vorbei am Wasserfall Salto Grande über senkrecht gefaltetes Schiefergestein und windige Wege zum Nordenskjöld-See am Fuß der Cuernos. Die Hörner sind aus Granit, die dunklen Spitzen bestehen aus Sedimentgestein. Genau wie die Fitz Roy-Berge ist auch das Paine-Massiv geologisch ein Magma-Pfropf, der in der Erde erstarrte. Erst Jahrmillionen später haben sich die Gebirge aufgefaltet und das Gestein kam an die Oberfläche (wobei das Fitz Roy-Massiv 18 Mio. Jahre alt ist, die Paine-Berge „nur“ 14 Mio. Jahre).
22.12. Nördlich von Puerto Natales entdeckte Hermann Eberhard in einer Höhle Fell- und Knochenreste eines Tieres: ein Riesenfaultier (= Milodon), ein bis zu 4 m großer Pflanzenfresser, der bereits im Pleistozän ausgestorben war. Eberhard hatte zuvor als Kapitän ein Schiff sicher nach Valparaíso überführt und sich von der großzügigen Geldprämie die Estancia Consuela gekauft, zu der die Höhle gehört. Die Riesenfaultier-Skulptur steht am Stadteingang der kleinen Hafenstadt Puerto Natales.
An der Kreuzung der bestens ausgebauten Ruta 9 und der Ruta 255, gut 50 km vor Punta Arenas, wird die „Schatula“, wie die Reiseleitung unseren Bettenanhänger nennt, abgekoppelt und abgestellt; in der südlichsten Stadt Chiles übernachten wir in einem Hotel. Die Bebauung hier beschränkt sich auf eine Tankstelle, wenige Häuser, eine Funkanlage und einen Kinderspielplatz. Die Nebenstraßen, die hier kreuzen, sind mehr oder weniger gute Schotterpisten. Das alte und das neue Bushäuschen fanden wir ganz nett.
Punta Arenas liegt direkt an der Magellan-Straße, gegenüber der großen Feuerland-Insel. Mit rund 130.000 Einwohnern ist sie die südlichste Großstadt der Welt. Mitte des 19. Jahrhunderts als Militärposten und Strafkolonie gegründet, entwickelte sie sich schnell zum Hafen- und Handelszentrum. Handwerker und Geschäftsleute aus ganz Europa ließen sich hier nieder. Bis zur Eröffnung des Panama-Kanals 1914 nahmen die meisten Handelsschiffe die Route durch die Ost-West-Passage.
Herrschaftliche Paläste prägen das Bild der Innenstadt von Punta Arenas: Die Schafbarone hatten nicht nur ihre riesigen Latifundien in Patagonien, sie hatten selbstverständlich auch Residenzen in der Hauptstadt der Region Magellanes. An der zentralen Plaza de Armas steht das Stadtpalais von Jose Noqueira und Sara Braun (heute Hotel), ein paar Straßen weiter die Villa von Mauricio Braun und Josefina Menendez (heute Museum). Das kostbare Mobiliar bis hin zum Parkettfußboden wurde eigens aus Europa hierher verschifft.
Von ausgestopften Tieren über die Geschichte der Weltumsegelungen und der Flugpioniere bis zur professionellen Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas bietet das Museum einen guten Überblick, aber auch ein Sammelsurium an Infos und Objekten. Besonders beeindruckend waren die Lebenswelten der indigenen Völker und die Eroberung der Region durch die Weißen. Die Kanunomaden wurden systematisch ausgelöscht (Schafbaron Menendez setzte einen Silberdollar als Kopfgeld aus) oder im katholischen Sinne domestiziert (die Salesianer zahlten einen Dollar pro lebenden Indigenen).
23.12.
Große Familiengräber, prächtige Mausoleen, aber auch einfache Grabreihen, oft bemalt und mit Plastikblumen geschmückt, prägen das Bild des Friedhofs von Punta Arenas. Es gibt auffallend viele
Grabanlagen von Vereinigungen, wie etwa des chilenischen Frauenvereins, der italienischen Landsmannschaft, der Polizisten oder der Feuerwehrleute. Auch die Deutsche Krankenkasse unterhält hier ein
Gräberfeld für ihre Mitglieder, die sich keine eigene Grabstelle leisten können. Das Grabmal von Sara Braun versteckt sich unter Bäumen.
Das Denkmal für den „Unbekannten Indio“ erinnert an die indigenen Völker der Selk’nam, Haush, Kaweskar, Tehuelche und Yaghan, die Patagonien und den Feuerland-Archipel ursprünglich besiedelt
hatten und an eingeschleppten Krankheiten starben oder im Auftrag der europäischen Viehzüchter ermordet wurden. Die Statue ist reich geschmückt und von Blumen und zahlreichen Dankes-Tafeln
umgeben.
Fernão de Magalhães (Ferdinand Magellan), der gebürtige Portugiese aus Sabrosa in der nordportugiesischen Provinz Trás-os-Montes, stand in Diensten der spanischen Krone. Er ist am 27. September 1519 in Sanlucar de Barrameda an der Südküste Spaniens mit fünf Schiffen und 234 Mann Besatzung aufgebrochen, um einen neuen Weg zu den Gewürzinseln zu finden. An der Küste Südamerikas kann er eine Meuterei niederschlagen, später die Besatzung eines havarierten Schiffs retten. Mit vier Karavellen findet er die Einfahrt in die Passage der Inselwelt von Feuerland, nach einer weiteren Meuterei kehrt ein Boot nach Spanien zurück. Mit drei Seglern erreicht er den Pazifischen Ozean. Die Weltumseglung schafft Magellan nicht mehr: Er stirbt 1521 bei Kämpfen auf den Philippinen. Ein Schiff mit 18 Überlebenden erreicht am 6. September 1522 den Heimathafen Sanlucar.
Hier residierte der Schafbaron und Indianerjäger José Menendes. Die Estancia San Gregorio umfasst ein sehr weitläufiges Gebiet mit Herrenhaus und Nebengebäuden, mit Schafschurhallen und Rinderställen, mit Lagern und Verwaltungsgebäuden, Häusern für die Gauchos und ihre Familien, einer Schule und Geschäften. So konnten die Arbeiter ihren Lohn gleich wieder ausgeben und das Einkommen des Magnaten mehren. Heute stehen gleich daneben die Wohncontainer der Arbeiter, die auf den nahen Öl- und Gasfeldern ihr Geld verdienen.
Die Estancia hatte auch einen eigenen Hafen an der Magellan-Straße, über den die Schafwolle und Felle, nach Aufkommen der Kühlschiffe auch Fleisch in alle Welt verschifft wurden. Am Strand liegen noch die Schiffswracks der Barca Ambassador und der Vapor Amadeo, die ab den 1890er- bis Ende der 1930er-Jahre eingesetzt wurden. Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis Punta Delgada, von wo wir mit der Fähre auf die Isla Grande von Feuerland übersetzen.