Island ist nicht billig, doch das wussten wir vor der Reise. Für unseren ersten, überschaubaren Einkauf in Seydisfjördur zahlten wir 22 Euro, wobei die beiden Zwiebeln nur rund 20 Cent gekostet haben. Vegetarier leben hier günstiger, Grünzeug kostet ähnlich wie in D.; Fisch (viel besser und viel frischer als zuhause) ist nicht wesentlich, Fleisch allerdings ist deutlich teurer als bei uns. Doch das ist alles halb so wild, denn Beate kocht gerne und auch sehr gut, und Bruno schnippelt hervorragend – und beide essen sehr gerne und bisher fast immer Fisch und Gemüse.
In Island herrscht keine Wasserknappheit: Von den Bergen rieseln Wasserfälle, aus Quellen sprudelt allerbestes Trinkwasser. Weil nicht alle Wege asphaltiert sind, schreit das Fahrzeug manchmal nach Reinigung. An Tankstellen – oder wie hier im Hafen von Djupivogur – sind deshalb frei zugänglich Wasserschläuche mit Reinigungsbürste montiert, die jeder benutzen kann. Auch Bruno, der Frida wieder stadtfein striegelt. Wenn wir die Reinigungsbürste abmachen, können wir an diesen Autowaschplätzen auch bestes Frischwasser tanken.
4.6. Wir haben jetzt die meisten Finger der Ostfjorde umrundet und biegen erstmals in die Straße Nummer 1 (genannt Ringstraße) ein, die Island ganz umrundet. Und nehmen auch manchmal einen Abzweig nebenraus. Der heutige führt uns zunächst entlang der Fossa und dann auf einer steilen Stichstraße zu einem Aussichtspunkt. Für den Anstieg hat Bruno erstmals in Island den Allradantrieb und zusätzlich die Untersetzung getestet – ging rauf wie auf Schienen. Ein kurzer Spaziergang führt uns zum wasserreichen, wild brausenden Wasserfall Sveinsstekksfoss.
Djupivogur liegt auf einer Landzunge am Südende des schönen Berufjördur. Gegründet wurde der älteste Hafen der Ostfjorde 1589 von Kaufleuten der Hamburger Hanse, später abgelöst von den dänischen Händlern. Schmucke Holzhäuser prägen den Ort, das älteste stammt von 1790 (heute Café und Museum). Beim Fischereihafen hat der isändische Künstler Sigurdur Gudmundsson 34 riesige Eier aus Stein platziert. Die „Eier in der Freudenbucht“ symbolisieren die hiesigen Vogelarten. Am größten ist das Ei des Sterntauchers, am anderen Ende steht das Ei des Lundi/ Papageientauchers.
3.6. Wir folgen der Küstenlinie und umfahren die Halbinsel Vattarnes. Der Fischerort Faskrudsfjördur war der Treffpunkt der französischen und belgischen Seeleute, die von Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg vor Island Fische fingen, in Hochzeiten bis zu 300 Schiffe pro Saison. Sie bauten hier ein eigenes Krankenhaus, eine Kirche und einen Friedhof. Im ehemaligen Krankenhaus logiert heute ein Hotel. An die frankophone Vergangenheit erinnern noch heute die Straßenschilder, die in Isländisch und Französisch die Straßennamen nennen.
Der kleine Ort Stödvarfjördur ist weithin bekannt für das beliebteste Museum der Ostfjorde: Steinasafn Petru (Petras Mineraliensammlung) hat jährlich 40.000 BesucherInnen, die sich die Fundstücke anschauen, die eine einzige Frau in ihrem langen Leben zusammen getragen hat. Ein paar hundert Meter weiter gibt eine ehemalige Fischfabrik den passenden Rahmen für Künstlerateliers. In der kleinen blau-weißen Kirche wird auch nicht mehr nur gebetet; sie dient heute als Gästehaus, wie die kleinen Gardinen an den Fenstern belegen.
2.6. Im Hochland sind bis auf weiteres alle Straßen gesperrt, was uns zur Reise im Uhrzeigersinn bewegt hat, das heißt, wir fahren zunächst durch die Ostfjorde nach Süden, dann am Vatnajoekull-Gletscher und den Sandergebieten Richtung Reykjavik, danach über die Westfjorde zur Nordküste und nach Ausflügen ins Hochland zurück zu unserem Fährhafen an der Ostküste. Das Wetter bleibt in den nächsten Tagen mäßig, aber die Schauerneigung soll abnehmen. Aktuell haben wir tagsüber 6-8° C, und reisen teils in Wölkchen, teils im Regen durch die wilde Gebirgslandschaft.
Über den 350 m hohen Pass inmitten der 1000-m-Berge geht es zunächst nach Reydarfjördur am gleichnamigen Fjord, mit einer Aluminiumfabrik, die knapp 500 Menschen Arbeit bietet. Wir folgen dem Fjord nach Osten bis Eskifjördur, einem Zentrum von Fischfang und Heringsverarbeitung. Dann geht es wieder rauf auf den Berg (Pass bei 632m), durch Wolken, vorbei an Schneefeldern - und durch unseren ersten einspurigen Tunnel, prompt mit Gegenverkehr; zum Glück ist eine Ausweichstelle in der Nähe. Entgegen der Reiseführer-Ankündigung ist der Tunnel voll beleuchtet.
Wieder auf Meeresniveau erreichen wir Neskaupstadur, die „Hering-Hauptstadt des Nordatlantiks“: Die östlichste Stadt Islands liegt am Nordfjoerdur, dessen imposante Steilwände von Nebelschwaden umwabert, die Bergspitzen in Wolken getaucht sind. Der moderne Leuchtturm hat uns erstaunt – ein gänzlich unromantischer, weißer Betonbau mit allerlei Antennen, der seit 1952 sein Licht und vor allem Funksignale über den Nordfjord in den offenen Atlantik sendet. Bei einem kleinen Spaziergang entdecken wir Eiderenten, Austernfischer, eine Schnepfe und allerlei Frühlingsblüher.
1.6. Egilsstadir, eine junge Stadt mit rund 2400 EinwohnerInnen, gegründet in den 1940er-Jahren, ist das Handels- und Dienstleistungszentrum für den Nordosten Islands. Entsprechend versorgen wir uns erst mal bei Bonus mit frischen Lebensmitteln und finden leckeren, günstigen Fisch und sogar Vollkornbrot (in Seydisfjördur hatten wir nur das Nötigste eingekauft). Es gibt aber auch Netto und viele kleinere Läden, dazu mindestens vier (!) Tankstellen, etliche Hotels und Restaurants sowie zwei Geschäfte für Outdoor-Klamotten, darunter die isländische Kultmarke „66°North“.
Das Ostisländische Museum zeigt Alltagsgegenstände rund um das Leben auf dem Lande bis in die 1960er-Jahre – vom Torfstechen für den Hausbau über Wintervorräte konservieren bis zum Spinnen, Stricken und Stiefel herstellen – alles angeordnet um ein Häuschen mit Möbeln, das bis 1964 bewohnt war. Eine zweite Ausstellung befasst sich mit den Rentieren, die aus Norwegen nach Island eingeführt wurden und nur in den Ostfjorden überlebt haben. Heute werden sie gezählt, beobachtet und gezielt zur Jagd frei gegeben; so wird der Bestand geschützt.
1.6. Die elektronische Warntafel am Ortsausgang von Seydisfjördur warnt vor 19m/sec Wind und +0,5°C auf der Passhöhe Richtung Egilsstadir. Wir fahren durch Wolken, vom Wind umtost. Beim 20 m hohen Wasserfall Gufufoss halten wir kurz an, beim Haifoss schon nicht mehr. Die Straße windet sich zum Pass in 620 m Höhe durchs karge Gebirge, parallel zum eisbedeckten Fluss Fjardara. Runter geht’s mal in engen, mal in weiten Serpentinen bis zum See Lagarfljot und dem Städtchen Egilsstadir an der Ringstraße.
31.5. Eine Fischerei- und Hafenstadt hatten wir uns größer vorgestellt. Seydisfjördur hat nur rund 600 EinwohnerInnen und wirkt überaus beschaulich. Den Fjord säumen alte Holzhäuser, oft als Bausatz von Norwegen oder Dänemark hergebracht. Neben Kirche (Bausatz aus Norge) und Camping soll das Leben in den Kneipen und Pubs wochenends bis 3 Uhr morgens toben. Moderne Häuser wachsen die Berghänge und das Flusstal hoch; die Berggipfel mit gut 1000 m verstecken sich in Wolken. Sichtbar sind die unzähligen Wasserfälle, die von den Höhen ins Tal rauschen.
Vor gut 100 Jahren war Seydisfjördur eine überaus moderne Stadt. Im heutigen Technikmuseum „Wathneshus“ (leider erst ab Juni geöffnet), gebaut als Wohnhaus des Norwegers Otto Andreas Wathne, gab es früh technische Spielereien: Die erste Wasserleitung Islands führte vom Bergbach direkt ins Haus, es gab fließendes kaltes und warmes Wasser und sogar ein WC. 1905 kaufte die Telefongesellschaft das Gebäude, denn hier sollte das erste Telefon- und Telegrafenkabel ankommen, das von Schottland per Seekabel nach Island verlegt wurde.