23.8. Wir sind wieder zurück in Seydisfjördur und genießen noch einen ruhigen Tag vor der Abfahrt der Fähre. Von den 100 Wasserfällen von Ende Mai ist nicht mehr viel zu sehen. Jetzt tröpfeln nur noch wenige in dünnen Rinnsalen von den hohen Bergen, die den Fjord von drei Seiten begrenzen. Dafür hat das Technikmuseum nun geöffnet… wir aber haben keine Lust auf dunklen Innenraum. Wir spazieren lieber über den Campingplatz, schauen uns die hochlandtauglichen Mobile an (überwiegend aus Deutschland und Frankreich), tauschen mit den anderen Island-Reisenden Erfahrungen aus.
Jedes Jahr kommen mehr TouristInnen nach Island, im Jahr 2017 werden es wohl 2 Mio. sein. Damit die ihr „Geschäft“ nicht in der Landschaft verrichten, wurden auch an den entlegensten Plätzen Toiletten gebaut – meistens als Holzhäuschen, immer mit Porzellanschüssel und -waschbecken, die Armaturen gerne von Grohe oder Hans Grohe, oft mit warmem Wasser, immer mit gefülltem Handwaschseifenspender und ausreichendem Toilettenpapiervorrat. Wer dennoch in die Gegend pinkelt und sein Papier frei fliegen lässt, „den soll der Blitz beim sch… treffen“ (Womo-Reihe).
Auf manchen Campingplätzen dagegen sind Toiletten und Duschen ein rares Gut. Wir waren schon auf Plätzen mit jeweils einer Toilette für die Männer und die Frauen und einer Dusche für alle Camper zusammen. Umso erstaunter waren wir über die ständig laufende, warme Freiluft-Dusche, die an der Straße vom Myvatn zur Krafla steht. Ein deutscher Camper hat sich auf der Durchreise schnell die Haare gewaschen, Bruno hat nur die Temperatur getestet. Im dampfenden Gewässer daneben fließt auch geothermal gewärmtes Wasser, das zum Baden einlädt – oder zum Picknick am plätschernden Bach.
Bevor wir uns in die Schlange vor der Dusche einreihen, besuchen wir lieber eines der vielen Schwimmbäder und lassen es uns in den Hot Pots gut gehen. Vor dem Baden allerdings haben die IsländerInnen die penible Reinigung gesetzt: In jedem Bad werden wir darüber informiert, dass wir vor dem Betreten des Beckens nackt duschen müssen. Ein Plakat erläutert zudem, welche Stellen des Körpers besonders gut gewaschen werden müssen. Selbstverständlich sind in den Gemeinschaftsduschen der Schwimmbäder immer auch gut gefüllte Seifenspender vorhanden. Und Bruno freut sich über den Seniorenrabatt.
Hafnarholmi, eine Felsformation beim kleinen Fischerhafen 5 km nördlich von Bakkagerdi, ist von April bis Mitte August ein Papageientaucherparadies – zumindest normalerweise. In diesem Jahr sind die meisten Lundis bereits Anfang August ausgeflogen. Einige wenige üben noch den Langstreckenflug, indem sie ihre Kreise zwischen Brutfelsen und Hafen ziehen, und zwischendurch auf den Wellen ausruhen oder ein Fischlein verspeisen. Auch die Küken der Dreizehenmöwen sind flügge geworden, und die Sturmschwalben kreisen krächzend um die Klippen.
Bunte Berge umgeben Bakkagerdi (oder „Borgarfjördur eysteri“, wie das Ortsschild ausweist). Im zweitgrößten Rhyolitgebiet Islands lässt sich gut wandern, doch wir sind wegen der Papageientaucher hier und düsen erst mal durch. Auf dem Rückweg campen wir neben dem Felsen „Alfaborg“, der Residenz der Königin der Elfen. Von unten wirkt der 30 m hohe Basalthügel nicht so besonders anders. Man muss halt glauben an das „verborgene Volk“, und die meisten IsländerInnen glauben an die Existenz von Elfen, Trollen, Geistern und Traumgestalten.
Rund um Hallormsstadur wurde einer der größten Wälder Islands gepflanzt. 85 unterschiedliche Baumarten aus 600 Regionen in aller Welt wachsen hier, systematisch angepflanzt seit Anfang des 20. Jh. und heute als Staatsforst geschützt. Der größte Baum ist eine Lärche mit über 20 m Höhe, die 1938 gesetzt wurde. Im Waldgebiet sind mehr als 40 km Wanderwege markiert. Wir spazieren über Stock und Stein, über Berg und Bach ins Tal, durch dunklen Nadelwald und herbstlich gefärbte Birkenwäldchen, über Blaubeerwiesen zu schön angelegten Picknickplätzen. Klasse.
Der Hengifoss ist mit einer Fallhöhe von 128,5 m der zweithöchste Wasserfall Islands. Der Fels hinter dem Wasserfall zeigt schmale, rote Tonstreifen und schwarze Basaltschichten im Wechsel. Entstanden sind die roten Streifen, als Asche und Tephra auf die Lavaschicht fiel. Mit der Zeit verwandelte sich die Schicht in Erdboden, Lehm und Eisenverbindungen entstanden. Beim nächsten Vulkanausbruch verband sich das Eisen mit Sauerstoff, wodurch die Lehmschicht ihre rötliche Farbe erhielt. Zugleich versengte die glühende Lava die oberste Schicht und färbte sie rot.
Der 30 m hohe Litlanesfoss (einer von insgesamt vier Wasserfällen in der Hengi-Schlucht) präsentiert sich inmitten von Basaltsäulen: Nach dem Erstarren der Lava kühlt das Gestein weiter ab und türmt sich zu (in aller Regel) sechskantigen Säulen, die immer im rechten Winkel zur Abkühlungsfläche stehen – in Lavaschichten senkrecht, in Intrusionen waagrecht. Am Litlanesfoss ist die Lava langsam ausgekühlt und hat diese schönen Säulen gebildet. Die längsten Säulen sind oben etwas gewölbt, was darauf hindeutet, dass sich die Lava immer noch bewegte, als die Säulenbildung einsetzte.