9./10.8. Wir reisen wieder nordwärts, durch das Tal des Copper River und entlang der Wrangell-Berge: erst Mount Wrangell (re, 4317 m) und Mount Drum (3661 m), am nächsten Tag begleiten uns Mount Drum (re) und Mount Sanford, der mit 4949 m der höchste in dieser Reihe ist. Nach Tok wird die Landschaft wieder flacher: Im Tetlin National Wildlife Refuge sagen sich Bär und Biber „gute Nacht“ und die Federvölker nutzen die Seen und Tümpel gerne zum Brüten. Wir verbringen hier eine ruhige Nacht, nachdem wir wieder den Kühlschrank leer gegessen haben vor der Einreise nach Kanada.
Von den Ölfeldern der Prudhoe Bay bis zum eisfreien Hafen in Valdez verläuft die Alyeska-Pipeline 1287 km quer durch Alaska, meist oberirdisch, wie etwa bei Rikas Roadhouse über den Tanana River. Damit das 30 Grad warme Rohöl die Rohre nicht im Permafrostboden versinken lässt, sind Wärmetauscher eingebaut, die bei Bedarf das Erdreich kühlen; wir haben sie nördlich von Fairbanks angesehen. Über Pumpstationen wird das Öl über die Berge und Täler nach Süden gebracht; wir sind kurz vor Valdez an Pumpstation 12 vorbeigekommen. In Valdez schließlich endet die Pipeline und Supertanker bringen das Rohöl nach Washington und Kalifornien. Von der Umweltkatastrophe, die die havarierte Exxon Valdez 1989 verursachte, ist heute nichts mehr zu sehen.
7.8. Wir fahren mit der legendären „Lu-Lu Belle“, die seit 1979 im Sommer täglich zum Columbia Glacier fährt, gesteuert von Kapitän Fred Rodolf, ebenfalls seit 40 Jahren. Das kleine, schicke Holzboot hat einen hochgezogenen Bug, sodass es auch in enge Felskammern und Fjord-Buchten einfahren kann. Wir schippern vorbei an träge auf dem Wasser dösenden Seeottern zu den Vogelfelsen von Glacier Island. Puffins (Papageientaucher) sind nur wenige zu sehen; sie fischen auf dem offenen Meer oder sind bereits auf dem Weg zu ihrem Winterquartier. Dafür sehen wir einen Weißkopfseeadler und eine große Kolonie Seelöwen (oder sind es mehrere Gruppen?); die meisten liegen faul auf den Felsen, einige tollen im Wasser, einige Halbwüchsige messen ihre Kräfte am Strand. Die Seelöwen waren vor 40 Jahren noch nicht in Valdez heimisch, sie sind erst nach und nach aus Kalifornien eingewandert, denn am eisfreien Fjord lässt es sich gut leben. Sehr zum Leidwesen der Fischer, denn die Seelöwen jagen bevorzugt und mit großem Appetit Lachse. Eher kleinere Meereslebewesen ziehen die Wale vor: Wir beobachten 20 Minuten lang einen Buckelwal, der immer mal wieder beim Schiff auftaucht, atmet, wieder taucht, auftaucht … und zweimal mit Fluke abtaucht.
Der Columbia Gletscher schickt kleine Eisblöcke voraus, die langsam größere Dimensionen annehmen. In Sicht ist die Abbruchkante aber noch lange nicht. Vor 40 Jahren sperrte der zweitgrößte Tidewasser-Gletscher Nordamerikas noch den ganzen Fjord. Jetzt fahren wir einige Meilen an riesigen Gletscherzungen vorbei, teils blau und weiß leuchtend, teils kaum erkennbar unter der Gerölllast, bis wir die 10 km breite und 80 m hohe Stirnseite des Columbia Glacier als schmalen Streifen in der Ferne wahrnehmen können. Davor türmen sich die Eisschollen, auch mal haushoch, und verdrängen das Fahrwasser. Die „Lu-Lu Belle“ drückt das Eis fast mühelos zur Seite, teilt die sulzige Brühe und kämpft sich langsam Meile für Meile voran. Gut drei Kilometer (2 Meilen) vor der Abbruchkante ist kein Durchkommen mehr, die Fotos der atemberaubenden Kulisse sind ohnehin aufgenommen, und es geht langsam zurück nach Valdez. Ein unvergesslicher Tag.
6.8. Valdez hat schon was: Ein Kleinboothafen mit türkisem Wasser, Ausflugsschiffe auf Heilbuttjagd oder Fototour zu den Gletschern, ein Kreuzfahrtschiff am Terminal außerhalb des Städtchens, auch die fischverarbeitenden Betriebe liegen auf einer Halbinsel vom Ort getrennt. Im Hafenbecken schwimmt eine Robbe, ein Austernfischer sucht Futter am Ufer, gestört von einem Raben mit derselben Absicht. An Land jede Menge Womos, ein paar Souvenirläden und Restaurants, ein paar Buden mit Ticketverkauf für Kajak-, Boots- oder Helikopter-Ausflüge. Beschaulich geht es hier zu. Dass Hauptsaison ist, merken wir nur daran, dass wir einen Tag auf unsere Tour durch den Prinz William Sound warten müssen.
5.8. Wir wollen wieder ans Meer. Über das breite Tal des Copper River hinweg erhaschen wir einen Blick auf die Wrangell Mountains. Dann geht es hinauf auf den Thompson Pass, den auch die Goldsucher 1898 überwinden mussten auf ihrem Weg zum erhofften Reichtum, allerdings andersrum. Durch zwei längere Baustellen am Richardson Highway leitet uns jeweils ein Pilot Car - da können wir den Blick auf den Worthington Glacier ausgiebig genießen. Nachdem wir den Keystone Canyon mit seinen senkrechten Steilwänden und ein paar Wasserfällen überwunden haben, blicken wir auf Valdez am türkisgrünen Fjord.
4.8. Heute fahren wir durch das ganze Spektrum der Landschaften in Alaska: Erst queren wir den breiten, reißenden, Sediment-trüben Knik River, dann geht es den halben Tag am türkis schimmernden Matanuska River entlang. Das Tal wird enger und gibt den Blick frei auf die ersten Gletscher der Chugach Mountains bis wir von oben (!) auf die Zunge des Matanuska Glacier schauen. Über den nächsten Pass erreichen wir bunte Berge, in denen Dall-Schafe die Mineralien von den Steinen lecken. Und weiter geht es durch Blaubeergestrüpp in die Taiga mit zahlreichen Seen und Tümpeln und ab und zu einem Bäumchen. Unser Tolsona Wilderness Campground liegt dann wieder ziemlich einsam in einem Nadelwäldchen.
3.8. Die größte Stadt weit und breit ist keine Schönheit, auch nicht bei Sonnenschein. In Anchorage sehen wir zum ersten Mal seit langem wieder Parkuhren, die aber am Wochenende nicht gefüttert werden müssen. Wir parken gegenüber dem gut gesicherten FBI und wandern durch die Stadt. Downtown gibt es ein paar hohe Gebäude, aber der Großteil bleibt weitläufig und niedrig; es gibt sogar noch ein paar Holzhäuser aus der Gründungszeit der Stadt vor hundert Jahren. Anchorage ist bunt – durch Gemälde an den Fassaden und durch die unzähligen Rabatten und Blumenkübel überall. Gut gefallen hat uns der Markt – teils Obst und Gemüse, teils einheimisches Kunsthandwerk und chinesischer Fuppes – und die vielen Essstände mit Livemusik rundum; wir wählen Tex-Mex und genießen leckere Salmon Chowder und Quesadilla mit Lachs, ein bisschen spicy. Dann aber zieht es uns wieder in die Natur: Wir erwischen den letzten Platz auf dem Überlauf-Areal des Campings am Eklutna Lake und können einer Elchkuh beim Grasen am See zuschauen. Wer braucht hier Fernsehen?
1.8. Die Schiffstour hat uns angeregt, noch mehr Hintergrundinfos über Seevögel, Fische und andere Meerestiere einzuholen. Da bietet sich das SeaLife Center in Seward an, in dem nicht nur geforscht wird und kranke Tiere aufgepäppelt werden. Hier gibt es auch tiefe Becken - eins mit Seelöwen, eins mit Robben, eins mit Vögeln oben und Fischen unten - und dazu einen Streichelzoo mit Seeigeln, Seesternen, Seeanemonen und ähnlichem Getier. Und jede Menge Infos übers Ökosystem und den Klimawandel. So nah waren wir den Puffins und Eiderenten noch nie, ganz zu schweigen von den grimmig aussehenden Tiefseefischen.
31.7. Seward ist nicht nur der Startpunkt des härtesten Hundeschlittenrennens Iditarod Trail Sled Dog Race, das fast 1000 Meilen quer durch Alaska nach Nome führt. Seward ist auch Eisenbahnstadt, Station der Kreuzfahrtschiffsreisen und Tor zum Kenai Fjords Nationalpark. Nach dem verheerenden Erdbeben mit anschließenden Tsunamis 1964 wurden die Häuser am Ufer nicht wieder aufgebaut. Hier ist heute ein wunderschöner Campingplatz, und wir nehmen Platz Nr. 813 in der ersten Reihe. Der Ort selbst bietet die übliche amerikanische Architektur, immer mit reichlich Parkplätzen vor dem Haus.
Den Kenai Fjords Nationalpark wollen wir mit dem Ausflugsschiff besuchen. Auf unserer neunstündigen Tour sehen wir allerlei Vögel – vom Weißkopf-Seeadler über zwei Arten Papageientaucher, Möwen, Eissturmvögel, Enten und anderen Flattertieren bis hin zum Austernfischer – und natürlich Meeressäuger: eine vielköpfige Orkagruppe auf dem Hinweg und einen Buckelwal kurz vor dem Reiseende, dazwischen jede Menge Seeotter, Robben und Seelöwen. Das hat sich doch schon gelohnt.
Das Ziel unserer Seereise in den Northwestern Fjord aber waren die Gletscher, die direkt in den Meeresarm kalben. Leider haben wir einen wolkenverhangenen Tag erwischt, sodass vom mächtigen Baer Glacier nur wenig zu sehen ist. Erst bei der Rückfahrt erhaschen wir von fern einen Blick auf den Holgate Glacier und die Gletscher an der Aialik Bay. Dann endlich queren wir die Harris Bay und erreichen unseren Zielfjord mit dem hängenden Sunlight und den ins Meer reichenden mächtigen Southwestern neben dem dunkel bestaubten Anchor Glacier. Dann ein Schwenk um Striation Island und wir blicken auf den Northwestern Glacier, daneben Red Stone Glacier und Northeastern Glacier. Grandios, denn inzwischen haben sich die Wolken verzogen und wir können die Gletscher und das brechende Eis eine Stunde lang genießen. Auf den Eisschollen liegen Robben, um sich aufzuwärmen – stimmt tatsächlich, denn das kalte Wasser entzieht ihnen am ganzen Körper Wärme, das Eis nur an den wenigen Punkten, an denen sie aufliegen.
Den westlichsten Punkt Amerikas haben wir für diese Nacht gewählt – und erleben den ersten schönen Sonnenuntergang nach Wochen der Helligkeit und Mitternachtssonne. Anchor Point lockt auch manche Einheimischen zum Sunset mit Blick auf aktive Vulkane des pazifischen Feuerrings. Wir unterhalten uns nett mit einer Frau, die aus Nome stammt, dem Zielort des berühmten Hundeschlittenrennens Iditarod Trail Sled Dog Race, und schon lange von einer Fahrt auf dem Dempster Highway bis zum Eismeer träumt.
30.7. So nennt sich Homer, das Städtchen am südwestlichen Ende der Kenai-Halbinsel. Wir fahren auf den Homer-Spit, eine Landzunge, die sich in die Kachemack Bay schiebt. Hier ist es so lebhaft wie in Rüdesheim, Drosselgasse: Autos und Womos schieben sich die einzige Straße entlang, TouristInnen flanieren durch die Shops und Souvenirläden, besuchen Restaurants, Imbissbuden und Eiscafés. Die meisten Hochsee-Angeltouren sind wohl noch auf dem Wasser, nur an einer Stelle werden die großen Heilbutte erst ausgestellt und dann filetiert und für die Angler verpackt. Wir bummeln bis Lands End und zurück, gönnen uns ein Eis und suchen dann wieder einen ruhigeren Ort für die Nacht.
29.7. Wir sind in Anchor Point der Anchor River Road gefolgt und am westlichsten Punkt Nordamerikas gelandet, der auf einem Highway bzw. auf durchgehender Straße erreichbar ist. Vor uns liegt der Cook Inlet und gegenüber der Lake Clark Nationalpark, in dem wir die eisigen Gipfel von sechs aktiven Vulkanen bewundern: Wir haben tolle Sicht auf Mount Douglas, Augustine Volcano, Iliamna Volcano, Redoubt Volcano und Mount Spurr. Und auf die Cats, die die Boote ins Meer bringen und wieder rausholen; hier ist ein gutes Revier für den Heilbutt-Fang.
28.7. Wir fahren bei Niesel erst mal aus der Hope-Sackgasse wieder raus und dann erst auf dem Seward- dann dem Sterling Highway. Letzterer verläuft entlang des lang gestreckten Kenai Lake und des gletscher-milchig-türkisfarbenen Kenai River. Auf dem schnell fließenden Wasser und entlang der Ufer versuchen Angler ihr Glück beim Lachsfang. Wir haben auch Glück und treffen Irene und Jürg wieder, unsere schweizer Freunde vom Frachter nach Halifax, die nach Homer weiterfahren. Unser Weg führt erst mal zur russischen Vergangenheit Alaskas: Über Soldotna geht es nach Kenai am Cook Inlet und weiter nach Ninilchik, um alte russische Kirchen anzuschauen, zumindest von außen. Denn die drei Städtchen sind russische Gründungen und haben noch ein paar Häuser und die Kirchengebäude über die Zeit gerettet.
26.7. Für die Goldgräber bedeutete „Hope“ die Hoffnung auf Reichtum - für die heutigen Gäste in erster Linie eine der verschiedenen Lachsarten fangen, die hier aus dem Meeresarm den Bach hinauf schwimmen, um zu laichen. Wir beobachten die Angler: Manche stehen mitten im flachen Wasser, andere werfen die Rute vom Ufer aus. Ein junger Mann schwingt seine Leine ein paarmal übers Wasser und hat schon einen Salmon dran – den er aber wieder frei lässt. Mehrmals hintereinander. Vielleicht hat er seine drei erlaubten Lachse für heute schon im Rucksack? Denn das wird penibel kontrolliert von zwei bewaffneten (!) Männern, die von Angler zu Anglerin gehen. Der Camping in Hope war sehr angenehm, ruhig, voll belegt, mit Life-Musik im Café und einem völlig friedlichen Bierumsatz. Manche haben nachts weiter geangelt.
25.7. Wir hatten vorgestern Riesenglück mit dem Wetter. Gestern war Niesel mit Schauern, heute hüllt sich nicht nur der Gipfel des Mount Denali in Wolken, sondern gleich das ganze Tal, wie der Blick vom Aussichtspunkt Süd auf das Gebirgsmassiv zeigt. Wir reisen weiter nach Anchorage, der größten Stadt Alaskas, und gönnen uns erst mal ein wenig Erholung. Am nächsten Tag dann einkaufen und tanken und noch eine kleine Runde durch die Stadt. Anchorage hat kein Gesicht, keinen Charme, schlechtes Wetter … Wir kommen später nochmal hier durch.
23.7. Wir nehmen den Park-Bus um 6.45 Uhr und erwischen eine sehr gesprächige und versierte Busfahrerin, die uns in den kommenden 11 Stunden vieles über den Denali-Nationalpark erzählen wird und zahlreiche (!) Tiere zeigen wird. Den Anfang macht ein Bold Eagle, ein riesiger Weißkopf-Adler, der unbeweglich auf einem Baum sitzt. Leider liegen die Wolken heute tief, sodass das Foto eher grau-verwaschen wirkt. Die Wolken sind auch ein Problem bei der freien Sicht auf den Mount Denali, der ohnehin nur an 30 % der Tage sichtbar ist. Heute kommen noch die Waldbrände hinzu, die ihren Rauch Richtung Denali schicken, wie unsere Busfahrerin weiß. Wir werden sehen. Und zwar erst eine Grizzly-Dame mit ihren beiden großen Jungen aus dem Vorjahr, dann eine Grizzly-Mama mit zwei in diesem Jahr geborenen Babys. Sie spielen miteinander und fressen Beeren – und sind sehr weit weg von der Straße.
Später hellt es auf, die Bergspitzen werden sichtbar. Wir sind begeistert von den breiten Flusstälern, in denen sich die trüben Gletscherabflüsse ihr Bett suchen. Immer mal wieder kommt ein klarer Quellbach hinzu, an dem die Tiere trinken können. Der Wald zieht sich zurück und geht über in Taiga und Tundra. Die Berge werden schroffer, die Schotterstraße wird einspurig und windet sich um Steilwände, vorbei an kürzlich erfolgten Felsstürzen, durch bunte Berge zum nächsten Aussichtspunkt.
Und plötzlich ist er zu sehen, der eisig blitzende Mount Denali, „der Hohe“, der sich mit seinen beiden Spitzen deutlich über die Nachbarberge erhebt: Der spitze North Peak misst 5934 m, der gerundete South Peak ist 6190 m hoch; sie wachsen jedes Jahr ein wenig, da die Kontinentalplattenverschiebung hier das Land anhebt. Spektakulär, wie die glitzernde Eiswelt auf den Wolken thront und quasi über der Landschaft schwebt.
Unterwegs entdecken wir weitere wild lebende Tiere: mehrere männliche Elche mit mächtigen Geweihen, einen Fuchs an der Straße, jede Menge Karibus im Gelände - einer posiert nett auf der Hügelkante. Auf dem Rückweg sehen wir ein sich sonnendes Murmeltier, Gerfalken auf einem Steilfelsen, Dall-Schafe sollen auch rumspringen (haben wir leider nicht gesehen). Der Höhepunkt aber war ein Grizzly, der erst ein paar Beeren verspeiste und dann in einem Tümpel ein ausgiebiges Bad nahm. Tolles Erlebnis.
Die Fahrt zum Wonder Lake hat sich sehr gelohnt. Wir haben mehr Tiere und mehr Tierarten gesehen als erwartet. Wir hatten allerdings auch großes Glück mit unserer Busfahrerin, die bei Tiersichtungen immer anhielt, alles ausführlich und kurzweilig erläuterte und manche Anekdote einfließen ließ. Und mit dem Wetter: Nachmittags zogen wieder Wolken auf, abends kam der Regen, der am nächsten Tag anhielt. Ein Tipp: Man kann zwar seinen Bus verlassen, ein Stück wandern und später irgendwo an der Straße wieder einen Bus anhalten. Unser Bus allerdings war und blieb voll, die Wanderer mussten teilweise lange auf eine Weiterfahrt warten. Also lieber im gebuchten Bus bleiben oder Wartezeiten einkalkulieren.
22.7. An diesem Bahnhof hat Präsident Warren G. Harding 1923 einen goldenen Nagel in eine Schwelle der neuen Alaska Railroad geschlagen und damit die 500 Meilen lange Bahnlinie in Betrieb genommen. Harding war der erste US-Präsident, der Alaska besuchte. Den Eisenbahnwaggon, mit dem er anreiste, hatten wir bereits im Pioneer Park in Fairbanks besichtigt. Der goldene Nagel, so heißt es, sei heute in Privatbesitz; am Bahnhof Nenana ist nur ein Stahlnagel in den Stein betoniert. Als Haltepunkt hat Nenana wohl ausgedient; die modernen Waggons mit Rundumverglasung werden von zwei Lokomotiven durch die Alaska Range zum Denali Nationalpark und weiter nach Anchorage gezogen.
20.7. Fairbanks hat als Kernstadt zwar nur 35.000 EinwohnerInnen (plus 100.000 in der Region), die aber verteilen sich über eine riesige Fläche. So stehen im Stadtzentrum kleine Blockhütten neben Wohnblocks neben verglasten Bankpalästen neben riesigen Freiflächen, die als Parkplätze genutzt werden. Fairbanks war in diesem Jahr Ziel des Yukon Quest, dem berühmten Hundeschlittenrennen, das 1000 Meilen entfernt in Whitehorse gestartet wurde; ob die beiden schon mitgelaufen sind?
Im Visitor Center schauen wir die aufwändig gestaltete Ausstellung und eine Darbietung des First Nations-Nachwuchses an: Die StudentInnen erzählen von ihrer Herkunft und den unterschiedlichen Stämmen des Nordens, sie singen, musizieren und tanzen; bekleidet sind sie relativ normal in Jeans und Bluse oder Hemd, lediglich die Perlen-bestickten Schuhe aus Elchleder, ein Amulett oder die Pelzhandschuhe wirken außergewöhnlich.
Gerade werden die Golden Days zur Erinnerung an den Goldrausch und die Pionierzeit gefeiert. Die Parade haben wir zwar knapp versäumt, aber wir sind rechtzeitig am Chena River, um tausende Entchen vorbei schwimmen zu sehen. Downtown locken Basketballkörbe zum Wurf, wird Kunsthandwerk und Kulinarisches angeboten; die längste Schlange hat sich beim „Pretzel Chef“ gebildet.
18.7. In Tok erreichen wir mal wieder den Alaska Highway, jene legendäre Straße, die 1942 in nicht mal neun Monaten quer durch die Wildnis gebaut wurde. „Alcan“, wie der Verkehrsweg damals genannt wurde, sollte einen schnellen Transport der Truppen von den USA quer durch Kanada nach Alaska ermöglichen, denn man stand im Krieg gegen Japan und befürchtete eine Invasion über den Pazifischen Ozean. Die Route führte 1422 Meilen von Dawson Creek in Britisch Columbia quer durch Yukon bis nach Delta Junction in Alaska (heute ist sie etwas kürzer).
Der Bau der Straße auf dem Permafrostboden war schwierig, denn erst musste eine thermische Trennung zwischen dem Boden und der künftigen Schotterpiste erfolgen. Wir haben alte Filme gesehen, in denen die Bäume abgesägt und das Gebüsch einfach platt gewalzt wurde. Auf diese Pflanzenunterlage wurden wiederum die Baumstämme gelegt; erst darauf kamen Steine, Erde, Schotter. Was für eine Leistung. Heute ist der Alaska Highway fast durchgehend asphaltiert. In Delta Junction erinnern Schilder und ein Meilenstein an die erste Meile des Alcan.
Rasthäuser waren wichtige Kommunikations- und Aufwärmorte an den Wegen der Trapper in der Wildnis, wie später an den Highways. John Sullivan hat sein Roadhouse 1905 ursprünglich aus Baumstämmen mit einem Moosdach gebaut. Nachdem sich die Winterreiseroute änderte, zog er sein Haus um, setzte doppelte Glasfenster ein und deckte es mit einem Blechdach (damals sehr selten), das nach Restaurierung bis heute der Witterung standhält; wir bewundern auch den Bauerngarten. Rikas Roadhouse wurde um 1913 von John Hajdukovich konstruiert; Rika Wallen hat das ohnehin großzügige Roadhouse 1926 um einen Flügel erweitert, denn es war ein gefragter Rastplatz am Fußweg von Valdez nach Fairbanks und gut besuchter Treffpunkt der Minenarbeiter – auch weil es eine Telegraphenstation gab.
Nach der US-Grenze hat die weite Fernsicht erst mal ein Ende, denn wir fahren ins Tal und dann entlang kleinerer Bäche, immer durch dichten Wald. Die Behörden in Alaska nehmen es sehr genau mit der Beschilderung ihrer Straßen. Vor fast jeder Kurve steht eine Geschwindigkeitsbegrenzung, immer neu und sorgfältig vermessen. Auf ein paar Kilometern hatten wir verschiedene Schilder mit der Erlaubnis, zwischen 15 und 40 Meilen pro Stunde zu fahren. Vor jeder Kurve eine andere Geschwindigkeit. Nett. Wir halten uns penibel dran.