Kathedralen des Reisens

Wir sind nicht nur Wohnmobil-, sondern auch Eisenbahnfans. Bahnhöfe sind für uns Kathedralen des Reisens: In ungeheurer Pionierleistung gebaut oder als architektonische Meisterwerke, in Stahl und Beton, in Glas und Marmor – und immer für die Ewigkeit. Das gilt einmal mehr für Kanada, wo erst die Eisenbahn den riesigen Kontinent erschloss und noch heute die Bahn – neben Flugzeug und Schiff – die einzige Möglichkeit ist, im Sommer an die Hudson Bay oder die James Bay zu gelangen. Den Traum von der Durchquerung des zweitgrößten Landes der Erde per Bahn sparen wir uns für später auf. Auf dieser Reise wollen wir ein paar Bahnhöfe und für die Eisenbahn wichtige Gebäude besuchen – und vielleicht ein paar Kilometer auf Schienen gleiten.

 

 

Anchorage in Alaska

Der Bahnhof in Anchorage ist erstaunlich groß: der breite, dreigeschossige Mittelbau und die beiden zweistöckigen Seitenflügel ziehen sich entlang der Bahngleise; vermutlich wird hier aber mehr der Eisenbahnverkehr verwaltet als Fahrkarten verkauft. Denn im Personenfernverkehr fährt hier genau ein Zug täglich ab (um 8.00 Uhr morgens) und ein Zug kommt täglich an (um 20.00 Uhr abends). Nach Fairbanks ist man 12 Stunden unterwegs, mit vielen Ausblicken und Zwischenstopps rund um den Denali-Nationalpark. Dazu kommt die Verbindung nach Seward zur Anlegestelle der Kreuzfahrtschiffe.

Seward in Alaska

Den alten Bahnhof von Seward von 1917 teilen sich heute ein Café und die Salmon Sisters mit ihrem Restaurant. Dabei ist es ein kleines Wunder, dass das Gebäude noch steht: Es überstand das Erdbeben und die Tsunamis von 1964 fast unbeschadet, während die halbe Stadt in Schutt und Asche lag. Als Bahnhof hat es dennoch ausgedient. Der Endhaltepunkt der Alaska Railroad ist näher an den Hafen gerückt, damit die Touristen auf den Kreuzfahrtschiffen leichter in den Genuss einer Eisenbahnfahrt kommen können.

Nenana in Alaska

Am Bahnhof in Nenana hat Präsident Warren G. Harding 1923 einen goldenen Nagel in eine Schwelle der neuen Alaska Railroad geschlagen und damit die 500 Meilen lange Bahnlinie in Betrieb genommen. Harding war der erste US-Präsident, der Alaska besuchte. Der goldene Nagel, so heißt es, sei heute in Privatbesitz; am Bahnhof Nenana ist nur ein Stahlnagel in den Stein betoniert. Als Haltepunkt hat Nenana wohl ausgedient; heute sind die Tourist Information und ein Eisenbahnmuseum im Bahnhof untergebracht.

Fairbanks in Alaska

Besonders alt ist die Bahnstation Fairbanks nicht, besonders frequentiert auch nicht, zumindest im Personenverkehr: Hier fährt genau ein Zug täglich ab (um 8.00 Uhr morgens) und ein Zug kommt täglich an (um 20.00 Uhr abends). Nach Anchorage ist man 12 Stunden unterwegs, mit Zwischenstopp am Denali-Nationalpark und Weiterfahrmöglichkeit nach Seward. Das ist doch schön übersichtlich. Das heißt auch hier: Die Bahn (über-)lebt nur durch den Frachtverkehr.

Whitehorse im Yukon Territory

Der Bau der Eisenbahn und des Bahnhofs im Jahr 1900 brachte Whitehorse den Durchbruch in der Entwicklung zur Stadt. Mit der Whitepass & Yukon Route entfiel der mühsame Treck von Skagway über den Pass, die Bahn brachte Passagiere und Fracht unversehrt zum Fluss für die Weiterfahrt zu den Goldadern am Klondike. Oder die Gold- und Silberfracht zu den US-Zentren im Süden. Heute spielt die Eisenbahn eine untergeordnete Rolle im Verkehrsnetz von Whitehorse, nur die TouristInnen freuen sich auf die Zugfahrt über den Pass zum Meer.

Jasper in Alberta

Jasper lebt vom Tourismus und der Eisenbahn. Das 5000-EinwohnerInnen-Städtchen hat das mondänere Banff eisenbahnmäßig abgehängt. Wer heute mit dem Zug quer durch Kanada fahren möchte, kommt hier vorbei: Von den Atlantik-Provinzen führt die einzige Eisenbahnverbindung über Edmonton und Jasper nach Vancouver. Auch das Bahnhofsgebäude in Jasper wird dieser Rolle gerecht – riesig, schmuck und die Kamine verbreiten wohl auch im Winter angenehme Wärme.

Reed Lake in der Prärie

So sehen moderne, florierende Bahnhöfe heute in Kanada aus: Kein Fahrkartenschalter, kein Wartesaal, keine Aushangfahrpläne, kein repräsentatives Bahnhofsgebäude, sondern nur Gleise, Getreidesilos und ein oder mehrere Rüssel zum Befüllen der Waggons. Denn die meisten Züge fahren im Frachtverkehr. Die Wagen werden gefüllt und nach Bedarf an einen Güterzug angekoppelt, unterwegs vielleicht umgeleitet und am Zielbahnhof wieder abgekoppelt und ausgeliefert. Verträge und Buchung erfolgen online oder am Telefon, bezahlt wird unbar. Wozu sollte hier ein Bahnhof stehen?

Bahnhof Winnipeg

Der Bahnhof in Winnipeg markiert prominent den Anfang der Broadway Avenue, an deren anderen Ende die repräsentativen Gebäude der Regierung und des Parlaments der Provinz Manitoba stehen. Erst mit dem Bau der Eisenbahn konnte die Besiedlung des ganzen Landes gelingen, Wirtschaft und Handel florieren, das riesige Land zusammengebracht werden. Den Beschluss für den Bau der Trans-Kanada-Eisenbahn fällte die Regierung in Ottawa 1879. Bereits im November 1885 waren die steilen Berge der Rocky Mountains bezwungen, am 4. Juli 1886 erreichte der erste Zug aus Montreal die Westküste in Port Moody.

Bahnhof Quebec City

Diese Kathedrale des Reisens steht in der Unterstadt von Quebec City. Viele Personenzüge halten in diesem Kopfbahnhof nicht mehr, laut Anzeigentafel gibt es nachmittags nur wenige Zugverbindungen. Bis zu den Gleisen kamen wir auch hier nicht – der Sicherheitsbereich darf nur mit gültiger Fahrkarte betreten werden. Obwohl die Eisenbahn wichtig war für die Besiedlung des riesigen Landes, spielt die Personenbeförderung heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Quer durch Kanada mit dem Zug reisen kann man aber immer noch: Mit nur dreimal Umsteigen gelangt man von Halifax über Montreal und Toronto nach Vancouver.

Bahnhof Liverpool

Er ist nicht der größte, wohl aber ein schöner Bahnhof: Liverpool Lime Street. Zwei mächtige Tunnelröhren aus Stahl und Glas überwölben die Gleise des Kopfbahnhofs. Vom rechten Bahnhofsteil fahren die Züge im Nah- und Regionalverkehr, die Gleise sind frei zugänglich. Im linken Bereich verkehren die Züge im Fernverkehr. Hier kommt man aus Sicherheitsgründen nur mit Fahrkarte (und wohl auch nur mit Reisepass) auf den Bahnsteig; uniformierte PolizistInnen oder BahnmitarbeiterInnen prüfen dies akribisch. Wir beschränken uns auf ein Foto und schlendern in die Stadt.

Bahnhof der Hansestadt Hamburg

Rund 720 Züge halten täglich am Hamburger Hauptbahnhof – er ist damit der meistfrequentierte im Bereich der deutschen Bahn. Die imposante Bahnhofshalle überspannt 16 Gleise - acht für die Fernbahnen, vier S-Bahn- und sechs U-Bahn-Gleise für den Nahverkehr. Hier machten Anfang des 20. Jahrhunderts zigtausende Auswanderer auf dem Weg nach Amerika Station. Reisende fuhren zur Erholung an die Nord- oder Ostsee, Soldaten zu den Schlachtfeldern der beiden Weltkriege. Der Durchgangsbahnhof wurde als Ersatz für die früheren verstreut liegenden Kopfbahnhöfe erbaut und 1906 in Betrieb genommen.

Neues aus Stuttgart am Nesenbach

Die Kathedrale des Reisens in der baden-württembergischen Landeshauptstadt wird vom Kopfbahnhof zum unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut. Im April 2019 wurde die dritte von insgesamt 28 Kelchstützen betoniert, die das Dach der künftigen Bahnsteighalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs bilden werden. Der Tunnelbau macht Fortschritte, was nicht ohne Folgen bleibt: Risse in einer Hausfassade über der Stuttgart-21-Tunnelbaustelle machen das Gebäude unbewohnbar. Ansonsten wenig Überraschendes: Die Kostenschätzung wurde um eine Milliarde Euro aufgestockt, die Einweihung um ein weiteres Jahr verschoben. Infos zum Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, der Stuttgarter Zeitung und von Wikipedia.
Foto: Armin Kilgus

 

Neues aus Frankfurt am Main

Der Frankfurter Hauptbahnhof bleibt oben, zumindest vorerst. Denn laut Bundesverkehrswegeplan 2030 ist ein Fernbahntunnel von der Offenbacher Stadtgrenze zur Niederräder Mainbrücke geplant; der würde den Hauptbahnhof für den Fernverkehr zum Durchgangsbahnhof machen. Die Kosten werden auf 3,5 Milliarden Euro geschätzt – schaun mer mal. Aktuell ist der Bahnhof mit Kopf in der Gunst der Bahnreisenden gestiegen: Mit rund 450.000 Fahrgästen täglich ist er nach Hamburg und vor München der zweitgrößte Bahnhof im öffentlichen Personenverkehr in Deutschland. Für die Deutsche Bahn gilt er aufgrund seiner Lage in der Mitte Deutschlands als wichtigste Verkehrsdrehscheibe im Zugverkehr. Als Kopfbahnhof, genau wie der Münchner Hauptbahnhof. Infos der Stadt Frankfurt und von Wikipedia.

 

Eine neue Reise