7.6. Die Kakabeka Falls gelten als die höchsten Wasserfälle Nord-Ontarios und werden vom örtlichen Marketing gerne als „Niagara-Fälle des Nordens“ bezeichnet. Vom Lärm her kommt das fast hin, denn man ist deutlich dichter an der sprühenden Gischt. Die Wassermenge ist in diesem an Überschwemmungen reichen Frühjahr allerdings auch enorm. Nach Postkarten-Bildern fließen hier im Sommer zwei Rinnsale über die 40 m hohen Klippen in den engen Canon, denn auch die Elektrizitätswerke zweigen Wasser ab zur Stromgewinnung.
6.6. Nach dem Morgenspaziergang über Stock und Stein und durch Felsspalten zu den Felsmalereien der First Nations am Agawa Rock nehmen wir wieder den Trans-Canada-Highway Richtung Westen. Unterwegs treffen wir Irene und Juerg, Mitreisende auf dem Frachtschiff, zum dritten Mal und erfahren beim Kaffee, dass Maja und Daniel den Michigan-See umrundet haben und Ursula und Toni bereits weit nördlich von Calgary Richtung Alaska düsen. Wir fahren langsam weiter und besuchen noch die Aguasabon und die Rainbow Wasserfälle.
5.6. Der Sainte-Marie River öffnet das Tor zur großen nordamerikanischen Seenplatte – Superior-, Huron- und Michigansee – und über den St. Lorenz-Seeweg in die Welt. Der Kanal und die Schleusen von Sault Ste. Marie ermöglichten den Handel mit dem Süden, den Transport der Felle der Trapper, später der Getreideernte aus dem mittleren Westen, dem Holz des Nordens. Die Schleuse wurde 1895 eröffnet und war die weltweit erste mit elektrischem Antrieb. Das „Powerhouse“ ist in großen Teilen immer noch intakt und betreibt die Schleuse.
Dr. Roberta Lynn Bondar ist Neurologin, Biologin, Pilotin und Forscherin – und Kanadas erste Astronautin. Sie war als Crewmitglied der US-amerikanischen Spaceshuttle-Mission „Discovery“ im Januar 1982 im All. Sault Ste. Marie, die Stadt, in der sie geboren und aufgewachsen ist, hat ihr einen Park gewidmet; gleich nebenan, zwischen dem Gelände der Universität und dem Lake Superior, steht eine überdachte Freilichtbühne für diverse Sommeraktivitäten, die ebenfalls ihren Namen trägt.
4.6. Vor 1,85 Billionen Jahren schlug beim heutigen Sudbury ein Meteorit ein und führte zu reichen Metallvorkommen in der Erde: Eisen, Gold, Silber, Kupfer und vor allem Nickel wurden hier gefunden. Vom Museum „Dynamic Earth“ erhofften wir uns Erhellendes über den hiesigen Bergbau; das hat nicht ganz geklappt. Das „Bergwerk“ ist fake, die Führung bescheiden. Sudbury als Stadt ist sehr zergliedert; gesiedelt wurde zwischen den riesigen Abraumhalden. Bergbaufans empfehlen wir Fallun (alt) und Kiruna (modern) in Schweden.
3.6. Der Killbaer Provinzpark ist zwar Bärengebiet, doch bisher halten sie sich noch versteckt. Dafür haben wir unsere ersten Elche gesehen und eine Biberburg in einem Tümpel, der sich in die glatt geschliffenen Granitberge einschmiegt. In der Vorsaison ist der Park fast leer, sehr ruhig, nur der Wind treibt die teebraunen Wellen rauschend an den Strand. Wenn abends die letzten Campfire erloschen sind, wirkt der Wald fast schwarz und am Himmel entzünden Millionen Sterne ihr Licht. Sternbilder können wir längst nicht mehr unterscheiden.
2.6. Sainte-Marie among the Hurons war 1639 der westlichste Außenposten der französischen Jesuiten. Auf den Ruinen ist ein lehrreiches Freilichtmuseum entstanden: Die Franzosen erkannten, dass die Urbevölkerung in einer komplexen Gesellschaft lebte, sie lernten Mais als Grundnahrungsmittel und Dachkonstruktionen aus Ulmen-Rinde zu schätzen. Die Wendat, die von den Jesuiten „Huronen“ genannt wurden, sahen, dass Viehhaltung wertvollen Dünger und damit reichere Ernte ergab, und lernten Erzeugnisse aus Eisen kennen.
1.6. St. Jacobs ist ein Zentrum der Mennoniten. Die strenggläubigen Alt-Mennoniten leben noch heute nach jahrhundertealten Traditionen, kleiden sich schwarz und malen sogar die Stoßstangen ihrer Autos matt-schwarz an; alles andere gilt als eitel. Die weniger streng Gläubigen brauchen mit ihren doppelt-breiten Schleppern zwei Fahrbahnen für den Weg zum Acker, wo sie Pflüge und Eggen nochmals auf doppelte Breite ausklappen. Viele landwirtschaftlichen Erzeugnisse (und anderer Fubbes) landen auf dem St. Jacobs Farmer-Market.
„Donnerndes Wasser“ nannten die First Nations die Fälle, die Jahr für Jahr ein wenig weiter nach Süden wandern. Die amerikanischen Fälle sind schmaler und etwas weniger spektakulär. Die Horseshoe Falls auf der kanadischen Seite fallen in einem knapp 700 m langen Bogen 54 m in die Tiefe. 15 Mio. cbm Wasser fließen stündlich über die Klippen und schießen als Gischtwolken wieder hoch, begleitet von einem donnernden Tosen. Die Maid of the Mist (amerikanisch) und die Hornblower (kanadisch) fahren mitten rein.
29. - 31.5. In Niagara-on-the-Lake mündet der Niagara in den Ontario-See. Das Städtchen präsentiert sich beschaulich-elegant: schöne Villen mit altem Baumbestand, edle Modegeschäfte, traditionsreiche Hotels, selbst die Junkfood-Restaurants sind stilvoll untergebracht. In der Apotheke haben Flaschen und Flakons zwei Jahrhunderte überdauert. Beim jährlichen Shaw-Festival werden die Werke von Georg Bernard Show und Kollegen in drei Theatern aufgeführt; wir bevorzugen das Shaw-Café.
Seit den 1970er-Jahren hat sich das Tal des Niagara zu einem beliebten Weinanbaugebiet in Kanada entwickelt; beliebt und oft prämiert sind die Eisweine, die auf den fruchtbaren Böden im feuchtwarmen Klima gut gedeihen. Die Weinbaubetriebe laden zu Verkostungen ein, und wir landen zufällig bei Wayne Gretzky, dem „Franz Beckenbauer des Eishockeys“, der nach seiner aktiven Zeit als „Nummer 99“ unter die Winzer gegangen ist und neben Wein, Cidre und Whisky auch eine Sportartikelserie unter seinem Namen vertreibt.
Der Niagara zählt zu den wildesten Flüssen der Erde. Auf knapp 60 km Länge erreicht er eine Fließgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h. Im unteren Drittel zwischen den beiden großen Seen wechselt der Fluss plötzlich seine Richtung. Den schäumenden 90°-Knick nennen die Kanadier „Whirlpool“ und haben bereits 1913 eine Luftseilbahn gespannt; die rote Gondel erfreut auch heute noch die TouristInnen. Stromaufwärts sind die Stromschnellen gut zu sehen. Der vom Niagara umflossene Felsen rechts gehört zur USA.
Der Ort Niagara Falls entpuppt sich als Mischung aus Disneyland und Las Vegas: Hotelhochhäuser und ein Riesenrad für den Überblick auf die amerikanischen und kanadischen Wasserfälle, mondäne Spielkasinos und Amüsierbetriebe jedweder Art werben um Kundschaft, Geister- und Kartbahnen locken den Nachwuchs, und dazwischen die diversen Imbiss- und Kaffee-Ketten. Die Hauptattraktion allerdings ist gratis: Der Spaziergang entlang des Flusses und das Bestaunen der beiden Gischt-sprühenden Fälle.
Durch den Niagara fließt das Wasser des Erie-Sees in den Ontario-See ab. Am südlichen Ende der Niagara-Halbinsel liegt Fort Erie, gegenüber die Großstadt Buffalo/USA. Über diese Engstelle sind viele Sklaven aus den amerikanischen Südstaaten geflüchtet; die fruchtbaren Böden haben auch englische, schottische und deutsche Siedler, strenggläubige Amish und Mennoniten angelockt. Als sehenswert gilt das Alte Fort Erie. Wir schlendern lieber am See entlang und hören den Möwen beim Kreischen zu.
29.5. Die Route quer durch die zweitgrößte Stadt Nordamerikas hatte uns Helmut empfohlen: Auf dem Highway 401 bis in die Vororte von Toronto und dann auf den Highway 2 wechseln, der am Ontario-See entlang führt und als Lake Shore Boulevard quer durch die Innenstadt verläuft; und nicht vor 10-11 Uhr sollten wir fahren. Wir sind schnell durchgekommen – am Wolken-umspielten 553 m hohen CN Tower, an der Royal Bank Plaza, in deren Glasfassaden 7000 kg reines Gold verbaut wurden, an den Wolkenkratzern, die die markante Silhouette der Partnerstadt von Frankfurt/ Main formen.
28.5. Heute regnet es nur einmal, also Einkaufstour: Im Alkoholladen (nur in der Provinz Quebec gibt es Bier und Wein im Supermarkt) treffen wir eine sympathische Verkäuferin, die in den 1980er-Jahren in Fessenbach im Schwarzwald lebte; ihr Mann war als Soldat in Lahr stationiert. Sie empfahl uns keinen bestimmten Whiskey, denn alle kanadischen Destillate seien mit viel Liebe und Sachverstand hergestellt. Zum Preisniveau: Eine Dose Bier kostet ab 2,30 CAD, die Flasche Wein ab 10 CAD, und der Whisky ab 27,50 CAD (1 CAD = 0,67 EUR).
27.5. Wir nutzen einen freien Tag im Sandbanks Provinzparks am Ontario-See zum Waschen, Putzen und zur Autopflege. Auf den Nachbarparzellen ist noch Land unter, die Bootsbesitzer müssen rein in die Fluten, um ihre Schiffe zu Wasser zu lassen. Angeln sei hier sehr erfolgversprechend, erklärt uns Helmut, der 1949 mit seinen Eltern von Moers nach Kanada ausgewandert ist. Bei dem aktuellen Hochwasser kämen viele Fische in die Bucht und fänden bei Niedrigwasser im Sommer nicht mehr zurück in den großen See.
26.5. Endlich einmal ein Museum fast ohne militärischen Hintergrund: Hier erklären Menschen in Bekleidung von 1866 verschiedene Berufe – vom Arbeiter im Sägewerk über Schmied und Bauer bis zum Sargschreiner, von der Köchin, Schneiderin, Lehrerin bis zur Frau, die für das Quilten einer Bettdecke ein ganzes Jahr braucht, Stich für Stich von Hand. Sie tun dies in Originalgebäuden aus der Siedlerzeit vor rund 150 Jahren, die ab den 1950er-Jahren vor dem Ausbau des Sankt-Lorenz-Wasserwegs gerettet wurden.
Die Tickets für das Freilichtmuseum (22 CAD pro Person) haben wir bei der Übernachtung auf dem Camping Riviére Cedar in Morrisburg geschenkt bekommen. Unser Camping am St.-Lorenz mit 500 Plätzen ist nur zu einem Zehntel belegt – Vorsaison. Die Campfire halten sich in Grenzen, denn es beginnt wieder zu regnen. Wir stehen direkt am leicht überfluteten Ufer und schauen über den Fluss in die U$A, und gleich nebenan dem plüschigen Kanada-Gänse-Nachwuchs beim Laufen lernen zu.