22.9. Gar nicht verschlafen präsentiert sich die Hauptstadt Kanadas. Am Freitag war Beate wieder mal erschlagen von dem überbordenden Verkehr, den Menschenmassen auf den Straßen und in den Malls – und wollte am liebsten sofort wieder in die Natur. Das änderte sich am Samstag: Die Stadt war Auto-arm, keine Staus, freie Parkplätze am Straßenrand in der Downtown, dazu noch am Wochenende kostenlos. Wir schlendern zum Parlamentshügel, am Rideau-Kanal vorbei zum Byward Market (allerbestes Obst und Gemüse, viele Kneipen und Restaurants) und der Kathedrale (gerade sammeln sich die Hochzeitsgäste zum Gruppenbild) zur Nationalgalerie (von Moshe Saftie entworfener Glasbau, der mit seinen Türmen die neugotische Architektur der Parlamentsgebäude auf dem Nachbarhügel aufgreift).
Dann gehts über den Major Hills Park mit schönen Ausblicken auf den Ottawa River und die Nachbarstadt Gatineau (bereits in der Provinz Quebec) zum National War Memorial, wo gerade die Wachablösung mit Dudelsackmusik erfolgt. Rundum wimmelt es von bemerkenswerten Denkmalen – für Flaschner, Spengler und andere Handwerker, für Krieger, Händler, Siedler und Hausfrauen, und ein besonders schönes zum Kampf für Frauenrechte in Kanada „Women are Persons“, mit der Fotogalerie der Frauen, die Besonderes geleistet haben in der kanadischen Politik, Kultur und Gesellschaft.
Zurück zu Frida nehmen wir Kanadas älteste Fußgängerzone (heute mehr blumengeschmückte Ess- und Trinkmeile als Einkaufsstraße), vorbei an der Bank von Kanada mit Currency Museum (die ihr altehrwürdiges Steingebäude von zwei Glastürmen eingefasst hat und passenderweise eine große Sammlung von Münzen und Geldscheinen, Glasperlen, Walzähnen und Muschelschnüren beheimatet).
Sonntag ist Military Run in Ottawa angesagt, eine große Laufveranstaltung der Armee. Wir wollten ursprünglich in die City, machen allerdings den Fehler, das zweimal angemahnte Update der Tomtom-Karten per WLAN zu beginnen. Nach dem Frühstück ist der Fortschritt kaum messbar, vor dem Mittagessen ziehen wir um vom Camping zu McD, da auch der Rechner wieder spinnt und keine neuen WLAN-Einwahlpunkte mehr erkennt. Gegen 14.30 hat Tomtom das Update tatsächlich installiert, der Rechner macht immer noch Probleme, wir sind genervt und gehen erst mal einkaufen. Nachmittags kommen zum Glück Maja und Daniel, schweizer Mitreisende vom Frachtschiff, und es wird noch ein sehr schöner Abend. Euch weiterhin eine gute und sichere Reise.
17./18.9. Er ist der älteste und größte Park Ontarios. Nachmittags nehmen wir den ersten Trail im Algonquin Provinzpark unter die Füße, rauf und runter über den bewaldeten Moränenhügel, mit schönem Ausblick auf den ruhig daliegenden Smoke Lake – und deutsche Sprache allüberall im Ohr. Am nächsten Morgen geht es auf den Lookout Trail, der sich entlang der eiszeitlich glatt geschliffenen Riesenfelsen und Granitrücken durch den Wald mit riesigen Pinien zieht und an einer Felskante entlangführt, die 40-50 m tief senkrecht abbricht. Da sind die Schilder eingangs des Wegs, gut auf die Kinder aufzupassen, fast schon vergessen – zumal der Pfosten mit Erläuterungs-Nummer 5 fast auf die Abbruchkante betoniert wurde. Wir genießen den Ausblick in die Weite und auf den bunter werdenden Wald.
Im Algonquin Logging Museum erfahren wir viel Neues: Im Winter haben die Holzfäller jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang Bäume mit der Axt gefällt, geglättet und für den Transport bearbeitet (erst ab 1850 gab es riesige Handsägen, die von zwei Männern durch den Baumstamm gezogen wurden). Bei Dunkelheit kamen sie in ihre fensterlose Behausung, aßen am offenen Feuer, schliefen je zwei Mann auf einer Pritsche, 50 ungewaschene Männer in einem Raum. Noch bei Frost wurden die Stämme mit Pferden aus dem Wald gezogen, gestapelt und auf Kufen an den Fluss gebracht. Die kälteste Arbeit hatte derjenige, der nachts mit Wasser aus dem Fass den Weg vereisen musste. Besonders gefährlich waren die Gefällstrecken: Der Untergrund wurde mit heißem Sand bestreut, der den Transport bremste; später wurden Trosse auf Winden, von einer Dampfmaschine angetrieben, für den Bergauf- oder Bergab-Transport genutzt. Endlich am Fluss wurden die Stämme mit der Schneeschmelze im Frühjahr zu Flößen zusammengefasst; bei Wassermangel, an Stromschnellen und Wasserfällen wurden die Bäume oft in Chutes (riesigen, hölzernen Rinnen) über die schwierigen Stellen befördert. Zum überqueren eines Sees wurden später dampfgetriebene Schleppschiffe eingesetzt; ein „Aligator“ konnte mit seinem 20 PS-Motor bis zu 60.000 Baumstämme ziehen. Ungefährlich war diese Arbeit nicht - viele Holzfäller und Flößer verloren im Wald und auf den Flüssen ihr Leben.
15.-17.9. Wir reisen weiter nach Osten, übernachten wieder im schönen Chutes Provinzpark mit gleichnamigem Wasserfall, fahren durch Bauernland entlang des Nipissing Lake mit allerliebsten Herbstdekorationen und Traktor-Wettkämpfen auf den Feldern, um schließlich auf dem Camping in North Bay in der puren Idylle große schwarze und kleine braune Hörnchen, Vögel und Enten sowie am Abend eine Bisamratte und am Morgen eine Rotwild-Familie zu beobachten.
Obwohl die Rohölpreise international stark gestiegen sind, macht das Tanken in Kanada weiter Freude – wenn nur das Land nicht so ungeheuer groß wäre: Heute haben wir wieder für 0,78 Euro pro Liter Diesel getankt. Wir machen einen kleinen Abstecher nach Süden, mit Mittagspause in Portage: Der Name kommt von porter = tragen, nämlich das Kanu vom See über den Berg ins nächste Fluss- und Seensystem. Eine Plackerei für die Trapper und Pelzhändler, die die Route von den First People übernommen haben, wie für die heutigen WeitpaddlerInnen.
9.-14.9. Je weiter wir nach Ontario reinkommen, desto schlechter wird das Wetter, und dann streikt auch noch der Rechner, WLAN funktioniert nur noch bei McD. Wir wählen dieses Mal die Südroute von Kenora am Lake of the Woods entlang. In Sioux Narrows bewundern wir die schön bemalten Totempfähle. Fort Francis an der US-Grenze erleben wir im strömenden Regen. Eigentlich ist die Strecke sehr schön – durch Wälder und Granitfelsen, an Seen und Sümpfen vorbei – aber bei Regen und Niesel doch nicht so prickelnd. Die Kakabeka Falls haben jetzt deutlich weniger Wasser als im Frühling. In der 100 m tiefen Schlucht des Quimet Canyons wachsen arktische Pflanzen, die sonst 1000 km weiter nördlich an der Hudson Bay gedeihen.