Die Hauptstadt des italienischen Barock

4.3. Noto hat sich sonntäglich fein herausgeputzt: unterschiedlichste Glockenspiele laden zum Gebet, die Barockkirchen füllen sich nur wenig, wir beeilen uns dennoch mit dem Besuch, um wenigstens bei einigen einen Blick in den Innenraum zu erhaschen. Während des großen Erdbebens 1693 wurde Noto völlig zerstört und 10 km weiter neu gebaut. Die Kirchen und Paläste entstanden alle innerhalb weniger Jahre, sind aber dennoch markant unterschiedlich – mit ebenmäßiger oder konvex geschwungener Fassade, mit Säulen, Loggien und Figuren aufwändig geschmückt, besonders an Portalen und Balkonen.

 

Die Straßen in Noto sind sehr belebt – Sonntagsspaziergang und Wahltag in Italien. Auf der Rückseite des Palazzo Ducezio (Rathaus) herrscht allerdings nur mäßiger Andrang vor dem Wahllokal. Die alten Männer parlieren lieber auf der Straße, manche genießen die Sonne auf dem Corso Vittorio Emanuele, der (teilweise autofreien) Hauptachse von Noto, andere suchen den Schatten in der Baumallee bei der Porta Reale. Die Autos schlängeln sich durch das Gewirr von Einbahnstraßen, steil hinauf oder steil bergab, wobei kurze Wagen in den tiefen Übergängen weniger oft aufsetzen; wir parkten am Rand der Altstadt.

 

Modica teilt sich in Alto und Basso

3.3. Wieder eine schöne Barockstadt, fast ohne Schachbrettstraßen, dafür mit engen Treppenwegen und gewundenen Gassen. Auch Modica liegt abseits der Küste und schmiegt sich den Hügel rauf. Hier sind nicht nur die Paläste und Kirchen außen reich geschmückt, sondern auch die Bürgerhäuser – ein Zeichen dafür, dass sich neben den (wenigen) Großgrundbesitzern und den (vielen) Besitzlosen eine Schicht bildete, die durch die Landwirtschaft zu Wohlstand gekommen war. Wir haben allein in der Unterstadt zwei Theater und ein Opernhaus gesehen, dazu einige Museen und das Geburtshaus des Literatur-Nobelpreisträgers Salvatore Quasimodo.

 

Modica hat eine Oberstadt und eine Unterstadt und natürlich haben beide einen Dom. Die Kathedrale im Tal erhebt sich über einer breiten Treppe, an der die zwölf Apostel in Lebensgröße auf hohem Sockel Spalier stehen; innen haben die Kommunionkinder einen Seitenaltar mit Sand und Strandgut geschmückt. Auch zur Hauptkirche auf dem Berg führt eine Freitreppe: Über 250 Stufen schnaufen sich die Gläubigen und Ungläubigen in die Höhe, bevor sie das breite, geschwungene Portal mit den fünf Türen bewundern können. Im Inneren strahlt die Sonne mittags das aktuelle Tierkreiszeichen auf einem Meridian an.

 

Markttreiben in Santa Croce Camerina

In der Barockstadt Ragusa

28.2. Von unserem Camping in Punta Braccetto am Meer (12° C) geht‘s nach Ragusa (rund 600 m höher, 8° C). Im Hinterland wurde die Folienlandschaft durch Wiesen abgelöst, fein getrennt durch 1 m hohe Mauern, Rinder weiden unter Olivenbäumen, schöne Villen auf den Hügeln, riesige Bauernhöfe in den Senken. Ragusa besteht aus drei Stadtbereichen, die sich über mehrere Hügel erstrecken. In der Neustadt dominieren die Wohnblocks nebst kleinen Geschäften sowie verschiedene Verwaltungszentralen. Drei Brücken führen über die Schlucht nach Ragusa Superiore, die älteste ist nur noch für Fußgänger begehbar.

 

Ragusa Superiore, die Oberstadt, wurde nach dem Erdbeben von 1693 völlig neu aufgebaut, die Straßen schachbrettartig angeordnet, die Häuser, Kirchen und Paläste im Anfang des 18. Jh. modernen Barockstil. Das kann man mögen, muss aber nicht. Wobei die barocken Ausschmückungen noch vergleichsweise kommod daherkommen und sich meist auf die Fassadengestaltung beschränken. Der Dom beispielsweise ist – verglichen mit manch bayerischer Kapelle – innen eher schlicht ausgestattet. Dann geht’s über die Treppenanlage „Le Scale“ knapp 250 Stufen ins Tal – und auf der anderen Seite wieder rauf.

 

Ragusa Ibla heißt der nächste Hügel, auf dem die Cattedrale di San Giorgio thront; der Haupteingang über eine weitere, mächtige Treppenanlage zu erreichen ist. Auch in Ibla dominiert die barocke Pracht, aber in engeren Gassen und Treppenwegen, die den Bergflanken folgen und nicht dem Schachbrett. Ein altes Stadttor aus dem 15. Jahrhundert hat das Erdbeben überstanden, doch nun zerstören die Abgase den weichen Stein. Wir genießen ein vorzügliches Mittagessen im „La Rusticana“ und bezwingen dann wieder den Weg ins enge Tal und die Treppen hoch über Superiore in die Neustadt.

 

Verlängerung in Agrigento

25. - 27.02. Wir bleiben zwei weitere Tage auf dem Camping in San Leone, spazieren durch die Gegend, lesen bei Regenschauern, gehen mit unseren netten Schweizer Nachbarn Ria und Beat an der Strandpromenade Pizza und Eis essen. Dann zieht es uns wieder weiter. Hinter Agrigento wird die Landwirtschaft intensiver: Hier wachsen unsere Tomaten und Erdbeeren unter Folie und Artischocken im Freiland. Nach der Industriestadt Gela nähern wir uns wieder dem Meer; Mittagspause im Badeort Scaglitti, der sich noch für die Saison renoviert und putzt. So einsam ist der Strand im Sommer wohl nicht.

 

Im Tal der Tempel – Valle dei Templi

24.2. Einen grandiosen Anblick mussten die Tempelanlagen vom Meer aus geboten haben: Auf einem Hochplateau (nicht im Tal, wie der Name suggeriert) erheben sich über mehrere Kilometer verschiedene Tempel über einer steil aufragenden Felswand; eine 13 km lange Befestigungsmauer sicherte die Stadt. Durch eins der früheren Stadttore spazieren wir zum Kastor- und Pollux-Tempel. Für das Wahrzeichen Agrigentos wurden ziemlich wahllos fünf Säulen als Tempelruine aufgestellt. Im Tal dahinter befand sich früher das Wasserreservoir der 200.000 EinwohnerInnen-Stadt - heute der Kolymbetra-Garten, eine grüne Oase.

 

Der Zeus-Tempel sollte mit 112 x 56 m der größte der griechischen Welt werden, wurde aber nie vollendet. Heute ist er ein riesiger Trümmerhaufen aus gigantischen Säulenteilen, Kapitellen und 7,5 m hohen Figuren, die zusammen mit den Säulen das Dach stützten. Bis ins Mittelalters blieb der Tempel noch weitgehend erhalten; danach wurden die bearbeiteten Quader des Zeus-Tempels gerne als Baumaterial genutzt. Die hufeisenförmigen Transportschlingen der Steinblöcke sind nicht nur im Trümmerfeld, sondern auch in der Kaimauer des Agrigenter Hafens in Porto Empedocle noch gut erkennbar.

 

Von der Größe und Schönheit des Herakles-Tempels lässt sich kaum noch was erahnen. Er maß 67 x 25 m und war mit Szenen der Heldentaten des Halbgottes bemalt. Von den ursprünglich 38 Säulen wurden nur acht wieder aufgerichtet; die in der Antike vorhandene bronzene Herakles-Statue haben wir nicht entdeckt. Unterhalb des Herakles-Tempels lag früher der Hauptzugang zur Stadt, die Porta Aurea. Die heutige Straße verläuft auf dem antiken Verbindungsweg. Auch unser Bus hat am „Goldenen Tor“ gehalten; allerdings mussten wir dann noch gut 500 m zum Ticketschalter und Eingang zum Tempeltal laufen.

 

Einzig der Concordia-Tempel überdauerte weitgehend unbeschadet die Verwüstung des griechischen Stadtstaats durch die Karthager und den Baumaterialklau. Geschützt hat ihn, dass der Tempel vom 4. – 18. Jh. als christliche Kirche geweiht war. Dann wurden die Kirchenmauern zwischen den Säulen wieder entfernt; lediglich die Bögen in der Cellawand erinnern heute noch an die Kirchennutzung. Wir bewundern die Schönheit und Harmonie der 34 Säulen samt Gebälk und der Giebel; lediglich das Dach fehlt. Da stört es auch nicht weiter, dass der Tempel sicher nicht der Göttin der Eintracht gewidmet war; Concordia war eine römische Göttin.

 

Auch der Namen der Zeus-Gattin ist wohl nicht zutreffend für den Hera-Tempel, auch hier wählten die Archäologen ziemlich willkürlich einen Göttinnen-Namen aus. An den Mauerresten der Cella im Inneren des 40 x 17 m großen Heiligtums haben wir rote Farbspuren entdeckt, unser Dumont-Reiseführer schreibt von Brandspuren des Karthager-Überfalls (406 vuZ). Wir genießen den grandiosen Rundumblick auf Berge und Meer - und die Selfie-Inszenierungen einer Gruppe japanischer Frauen neben dem Opferaltar des Hera-Tempels. Zurück geht es entlang der einst massiven Stadtmauer zur Porta Aurea.

 

In den Gassen von Agrigento

21.-23.2. Auch Agrigento war vor 2500 Jahren sehr viel größer: ein bedeutender griechischer Handelsplatz mit riesigem religiösem Zentrum. Heute zeigt die Provinzhauptstadt ihren dezenten Charme beim anstrengenden Aufstieg durch die schmalen Gassen und Treppenwege. Am höchsten Punkt steht der Dom (wird gerade renoviert), darunter ein Gassengewirr mit teils maroden, teils schön renovierten Häuserzeilen. Auf halber Höhe und relativ eben verläuft die fast autofreie Einkaufsmeile. Darunter wieder Wohnblocks, Sportanlagen etc. Auf der nächsten Hügelkette stehen die Tempel.

 

Nach dem Sonnentag in Agrigento igeln wir uns ein auf unserem Camping in San Leone. Zwei Regentage stehen an; wir lesen und spielen und informieren uns über die Winterolympiade via Internet. Ein Spaziergang zum Meer zeigt, dass auch hier noch Winterpause ist: Kein Karussell dreht sich, die Spielgeräte sind noch eingemottet, der Weihnachtsmann ist noch nicht abgeräumt. Dafür fegt ein heftiger Wind durch die Straßen und peitscht die Wellen gegen die Hafenbefestigungen. Wegen des ungewöhnlich kalten Wetters wurde sogar das Mandelblütenfest um vier Wochen verschoben.

 

Aus dem Camper-Alltag

20.2. Wir waren das nicht, in Sizilien sieht fast jedes Auto so aus: Ein Kratzer am Kotflügel vorn oder hinten, eine Delle in der Stoßstange – dabei fahren hier meist kleine Autos. Das hat auch seinen Grund, denn die Innenstädte sind so verwinkelt, eng und steil, dass sich kein langer Wagen empfiehlt. Und auch kein hoher, denn die Balkone kragen gerne in die Fahrbahn. Umso mehr ist Bruno zu loben, der unsere 3 m hohe Karosse (relativ) klaglos und (überaus) umsichtig durch die Altstadt von Sciacca (gesprochen: „Schacka“) gelenkt hat, nur weil wir eine Empfehlung des Navi falsch interpretierten.

Sizilien hat ein Herz für RaucherInnen. Zwar ist auch hier in Restaurants und Bars das Rauchen verboten; vor der Tür stehen aber meist Tische und Stühle mit Aschenbecher für die Unverbesserlichen, alles unter einem Sonnenschirm, der im Februar auch gut den Regen abhält. In Sciacca, der Stadt der Keramik und des Fischfangs, haben wir diese getöpferten Aschenbecher gesehen – in der Haupt-Einkaufsstraße, an fast jedem Geschäft, fest in die Hauswand einbetoniert. Wie die den Keramiktopf leeren bleibt ein Geheimnis.

 

Die Stadt der geknickten Säulen

19.2. Selinunte wurde (wie Segesta) 409 vuZ durch die Karthager zerstört, die Bevölkerung abgeschlachtet; nur wenige der 300.000 EinwohnerInnen überlebten. Die Tempelruinen standen noch Jahrhundertelang aufrecht bis sie bei einem Erdbeben zusammenfielen, dann von Sand und Erde bedeckt die Zeit unbeschadet überdauerten. Drei Tempel wurden auf dem Osthügel frei gelegt. An Tempel E (70 x 28 m) wurden alle 36 Säulen, ein Teil des Gebälks und der Cella wieder aufgebaut – ein toller Anblick. Daneben liegen zwei riesige Trümmerfelder: Tempel F maß 66 x 27 m, Tempel G zählte mit 114 x 54 m zu den größten des Altertums.

 

Rund um die Akropolis kann man die Struktur einer griechischen Stadt des 5. Jh. vuZ gut erkennen: Breite Straßen in Nord-Süd-Richtung leiteten Frischluft vom Meer in die Stadt, Querstraßen führten zu den Wohnhäusern. Die Tempel waren Ost-West ausgerichtet, mit den Eingängen zur aufgehenden Sonne. Die Akropolis stand auf der höchsten Stelle des Hügels; nur die Längsseite des Tempels C wurde wieder rekonstruiert, das Trümmerfeld drumherum wurde nur gesichert, kaum verändert. Umgeben war die Akropolis von einer riesigen Stadtmauer, deren Steine mörtellos aufeinander gestapelt wurden.

 

Eine neue Reise